Necrophile Passion Score
Ein Film ohne einen guten Soundtrack ist fast immer zum
Scheitern verdammt. Dieses Jahr erschien mit Necrophile Passion eines der
meisterwarteten Indiprojekte der letzten Jahre. Sowohl Regisseur als auch der
Komponist des Scores waren neu in ihrem Metier. Der Film (Review) begeisterte
die Presse und auch die Musik konnte überzeugen. Nun hat sich der Komponist
René Bidmon dazu entschlossen, den OST als CD zu vertreiben. Doch kann sein
Werk auch ohne den Film bestehen?
René Bidmon schafft es mit seinem Score eine Geschichte zu
erzählen. Wer einen offenen und kreativen Geist hat, der kann hier seinen
Gedanken freien Lauf lassen. Dadurch entspinnt sich mit jedem Track eine BIlderflut
vor dem geistigen Auge, die einen auf eine Reise mitnimmt, die voller
Melancholie und alptraumhafter Szenerien ist und so dafür sorgt, dass man sich
in der Musik verliert. Wer den Film gesehen hat, wird die Musik zwar
zwangsläufig mit eben jenen Bildern verbinden, aber auch Leuten die den Film
bisher noch nicht sehen konnten, können sich durch die prägnanten Klänge Bilder
vor dem geistigen Augen vorstellen. Hier ist nun jeder selbst gefragt, eine
gewisse triste und melancholische Grundstimmung vorausgesetzt, wird man nach
dem Hören sicherlich kraftlos und gerädert zurück bleiben und sich zwangsläufig
mit dem eben gehörten auseinandersetzen müssen.
Ein gutes Beispiel für eben jene Stimmung ist Song 5 mit dem
Titel Love. Alle Lieber auf der CD sind sehr abwechslungsreich gestaltet und
gehen mehrfach neue Wege innerhalb eines Tracks. So kann es passieren, dass man
zunächst tiefe Geigenklänge hört, welche einem das Ende einer Liebe vor Augen
bringen, diese werden dann aber durch bestimmende Keyboardklänge in etwas ganz
anderes, fast hasserfülltes umgelenkt und enden dann in einem Mix aus beidem,
sodass man seelisch und innerlich bricht. Man fühlt den Schmerz, den eine nicht
erwiderte, oder gar vergangene Liebe in einem hinterlässt. Die Kraft fehlt
einem um zu Leben und genau das schafft Bidmon mit diesem Song. Aber auch die
anderen Tracks sind oft genau so aufgebaut. Man wird zunächst durch ein
bestimmtes Instrument begrüßt, bewegt sich dann auf einem vermeintlich
sicheren Weg, nur um dann durch etwas
liebliches oder gar rufendes von der Strecke abzukommen, sodass man sehen will,
was jenseits dieses Weges zu finden ist. Dort wird man meist durch neue Ideen und
Melodien empfangen, nur um dann am Ende an einem anderen, meist noch tristeren
Ort zu landen.
Wer die Werke von Buttgereit kennt, der weiß auch, dass in
diesen die Musik oft eine große Rolle spielt. Diese stammt aus der Feder von
Hermann Kopp und sie schafft es dem Hörer, immer wieder ein Unwohlsein im Magen
zu bescheren. Genau diesen Weg schlägt auch Bidmon ein, der eben jenes auch mit
seinem Score erreicht. Man überdenkt sein Leben und seine Schritte die man
gegangen ist und versucht diese Revue passieren zu lassen. Dies wird nicht bei
jedem im selben Schema geschehen, da jeder Mensch eben auch seine ganz eigene
Geschichte hat. Doch jeder der sich auf eine solche Erfahrung einlassen kann,
wird hiermit eine Chronik seiner Erfahrungen vor dem inneren Auge sehen. Ein
weiteres sehr schönes Beispiel dafür ist das dritte Lied auf der CD, namens
„Pain“ (dt. Schmerz). Auch hier sind alle Arten des Schmerzes enthalten, der
wütende Schmerz wenn etwas kaputt geht oder man eine Sache verliert, wie
beispielsweise die Liebe. Aber auch der süße Schmerz, der einem zeigt das man
am Leben ist. Dies wird durch sanfte Klavierklänge und harte Geigen erzeugt. Ab
der 2. Minute erklingt eine fast tragische Melodie, die einen in ein Loch
tiefster Verzweiflung und Trauer reißt. Hier erreicht Bidmon einen Moment der
absoluten Kraftlosigkeit, die einem Bilder von traurigen und verzweifelten
Menschen vor das innere Auge projiziert. Man ist in einem Zustand der völligen
Leere, dieser dauert nur wenige Sekunden, denn gut 20 Sekunden später, wird aus
dieser melancholischen Stimmung etwas hartes, fast raues, wodurch man sofort
wieder den Schmerz und Hass zu spüren bekommt. Das achte Lied, welches den
eigentlichen Abschluss des Scores darstellt, will zunächst nicht so ganz in das
vorher etablierte melancholische Wesen der Arbeit Bidmons passen. Wenn man sich
allerdings frei macht, von den bisherigen Gegebenheiten eröffnet es einem eine
ganz neue Sichtweise. Alle Probleme, alle Schmerzen, all der Hass gipfelt in
einem frenetischen Technosound, der sinnbildlich für die Entrüstung und die
Sprengung der bisherigen Grenzen steht. Der Zuhörer bricht aus, aus dem
Gefängnis welches ihn bedrückt hat. Er ist frei und nichts und niemand kann ihn
daran hindern. Man schöpft neuen Mut und neue Kraft. Dieses Lied steht für
einen Neuanfang, einen Weg in eine neue Richtung. Doch jeder muss für sich
selber einen Weg der Deutung finden. Dies sind lediglich die Erfahrungen des
Reviewers.
Darüber hinaus bekommt man auf der CD noch drei weitere
Songs präsentiert. Diese enthalten eine ganz andere Stimmung. Sie sind mystisch
angehaucht und erzählen, wenn man sich auf diese Interpretation einlassen
möchte, die Geschichte einer Reise. Zunächst gibt es hier den Wartanic March,
also einen Marsch. Danach kommt man an, in den Hallen der Geheimnisse (engl. Halls
of Secrets), nur um eben jenen dann im Abschluss der CD zu entkommen (Escape).
Für sich gesehen entsteht damit ein Gesamtbild, welches man in Aufbruch, Ankommen
und Fliehen gliedern kann. Vor dem inneren Auge manifestiert sich ein Charakter
der sich aufmacht auf eine Reise, welche eine riesige Halle als Ziel hat, als
er dann in dieser ankommt, entdeckt er allerlei Geheimnisse. Diese Entdeckung
wird durch unheilvolle und mystische Klänge unterstützt, sodass man sich wie
eine andere Zeit versetzt fühlt. Zum Abschluss der CD muss man dann eben jener
Entdeckung entkommen und so entsteht auch im Körper des Zuhörers eine ungemeine
Ruhe- und Rastlosigkeit die einen weg treibt von dieser Gegend, man wird
förmlich selbst in eine Flucht versetzt. Dies sind lediglich meine Erfahrungen
mit der CD, sodass jeder selbst diese Reise machen kann und sicherlich dabei
einen ganz eigenen Weg gehen wird.
Fazit: Die CD, welche an sich nur den Score von Necrophile
Passion bietet, schafft es auch ohne den Film zu funktionieren. Vielmehr
bekommt man hier, wenn man sich auf so etwas einlässt, eine Geschichte in
musikalischer Form geboten, welche einen an Orte bringt, die tief im
Unterbewusstsein verankert sind. Jeder wird dabei natürlich seinen ganz eigenen
Weg einschlagen und auch die Gefühle sind lediglich meine eigenen, aber nichts
desto trotz wird man danach noch eine ganze Weile diese Bilder im Kopf
behalten. Empfehlen kann man dieses Werk jedem, der auf akkustische Klänge
steht, die mehr sein können als sinnloser Pop oder harter Metal. Die einem
etwas ganz neues, unbekanntes zeigen wollen und in einem selbst eine gewisse
Befreiung der Gedanken erregt. Zudem bietet der Score mit seinen drei
Bonustracks, noch eine ganz neue unbekannte Seite. Bidmon zeigt mit seiner
Arbeit, dass Musik wirklich Kunst seien kann und man kann nur hoffen das dieser
Künstler einem noch weitere Kunstwerke bescheren kann. Nicht nur für Fans des
Films eine klare Empfehlung!
CD kann unter music@blacklava.at vorbestellt werden
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