Donnerstag, 24. Oktober 2013

Buch Review: Der Besudler auf der Schwelle

Der Besudler auf der Schwelle


Edward Lee ist ja bereits dafür bekannt, dass er dem Leser mit seinen Geschichten immer wieder einen Schlag in den Magen verpasst. Sei es nun „Das Schwein“, in welchem er dermaßen mit perversen Szenerien um sich geworfen hat, sodass die eigentliche Geschichte schon fast in den Hintergrund gerückt wurde, oder „Der Teratologe“ der den Spagat zwischen Perversion und Glaubenskritik sehr gut hinbekommen hat. Mit „Der Besudler auf der Schwelle“ beschert uns Lee nun eine Fortsetzung zu einem Werk vom Meister des Schreckens selber, H.P. Lovecraft. Lovecraft hat seinen Lesern immer wieder beigebracht hat, dass der subtile Horror der weitaus schlimmere sein kann, als die plakative zur Schaustellung des Grauens. Mit seinem Werk „Haunter of the Dark“ (dt. „der leuchtende Trapezoeder“ bzw. „Jäger der Finsternis“) erschuff Lovecraft eine Geschichte, die einem das Blut in den Adern gefrieren lässt. Doch kann Lee, dessen Geschichten ja nur so vor plakativen Abartigkeiten strotzen, eine würdige Fortsetzung zu dem Meisterwerk von Lovecraft schreiben?

Der Besudler auf der Schwelle (OT: Haunter of the Threshold), wirkt zunächst genau so, wie man es sich von einer Geschichte aus der Feder von Edward Lee erwartet. Man bekommt die Charaktere präsentiert, wird aber zunächst in eine sehr bizarre und erotische Szenerie geworfen. Alles beginnt mit einer Vergewaltigung, die, wie sich kurze Zeit später herausstellt, nur gefaked war. Als Leser lernt man Hazel kennen. Eine junge Frau, in deren Kopf sich alles nur um das Eine dreht: Sex. Sie ist so davon besessen, dass sie es einfach liebt, alle möglichen sexuellen Perversionen auszuleben. Allein Hazel ist schon ein Sinnbild für die Welt von Edward Lee. Eine Frau die zwar stark ist, da sie sich keineswegs das Butter vom Brot nehmen lässt, allerdings wird ihr Leben von ihren perversen Trieben  beherrscht. Der Leser bekommt dadurch allerdings immer wieder, eine kranke Szene nach der Anderen geboten und Lee schafft es diese immer ausufernder zu gestalten. Wo Hazel zunächst „nur“ vergewaltigt wird, da wird ihr am Ende so viel Leid angetan, dass der Leser nicht anders kann, als wirklich mit sich und seinem Gemütszustand zu ringen. Er ist geschockt von den ganzen kranken Erlebnissen in dem Leben dieser jungen Frau.

Die Lee Fans werden also bestens bedient, aber wie sieht es mit den Lovecraft Fans aus, bekommen auch diese genau das was, sie sich von einer Fortsetzung vom „Leuchtenden Trapezoeder“ erhofft hatten? Auf jeden Fall. Man muss aber auch sagen, dass es Lee nicht komplett schafft die allgegenwärtige Spannung des Originals einzufangen. Es ist auf jeden Fall ratsam vor dem „Besudler auf der Schwelle“, erst mal das Original zu lesen. Für all die, die direkt mit der Fortsetzung anfangen möchten, hier eine kurze Zusammenfassung. Auf 30 Seiten erzählt Lovecraft die Geschichte eines Mannes, der von einer Kirche fasziniert ist, die eine schrecklich dunkle Aura versprüht. Eines Tages macht er sich auf zu der Kirche und findet dort den leuchtenden Trapezoeder. Dadurch beginnt für ihn der wahre Schrecken. Zu viel von der Geschichte zu verraten, wäre ein wahres Sakrileg. Die Geschichte schafft es aber, in ihren knapp 30 Seiten, eine dermaßen hohe Spannung bzw. Angespanntheit beim Leser zu erzeugen, dass er sich nach dem Lesen aus tiefstem Herzen fürchtet. Ein solches Gefühl in einer so kurzen Erzählung zu erzeugen ist wirklich beachtlich. Lees Werk umfasst da mehr als das 11 fache des Umfangs und bewegt sich stets zwischen Lees bekannten Perversitäten und Lovecrafts Cthulhu Mythos. Was Lee aber hervorragend macht ist, dass er dem Grauen ein Gesicht bzw. eine Form gibt. In der Kurzgeschichte von Lovecraft manifestiert sich das Böse nie wirklich, sondern wirkt eher wie ein Hirngespinst des Protagonisten. Sicherlich ist dies auch ein sehr interessanter Teil der Geschichte, allerdings würde eine solche Vorgehensweise nicht zu Lee passen, da dieser von seinen ausschweifenden, perversen und kranken Beschreibungen lebt.

Da Lee hier sehr viel mit Tagträumen und Illusionen arbeitet, kann er dem Leser ein ums andere Mal Bilder und Welten vorsetzen, die hervorragend in die Lee/Lovecraft Verbindung passen. Als Beispiel dafür dient eine recht frühe Szene, in welcher Hazel eine Toilette besucht und dabei wie aus dem nichts einen ihrer sexuellen Tagträume hat. Sie wird vergewaltigt, doch dabei schleichen sich eben immer wieder Bilder aus dem Cthulhu Mythos ein, sodass aus dem Vergewaltiger sehr schnell ein Wesen wird, welches auf Grund seines grotesken Äußeren eher für Ekel als für Erregung sorgen kann. Und genau in solchen Szenen glänzt Lee mit einer so kranken wie interessanten Charakterzeichnung, denn Hazel wird hier eher angeregt, als abgestoßen. Der Leser ist zwar entsetzt, aber zeitgleich auch von dem Charakter fasziniert.

Die Geschichte an sich wirkt, sobald sie sich um den leuchtenden Trapezoeder dreht, wirklich wie eine Fortsetzung von Lovecrafts Erzählung. Man merkt, dass Lee hier ein Fan vom Großmeister ist und mit seinem Werk eine sinnvolle und logische Weiterführung des Stoffes erschaffen wollte. Lees Schreibstil und seine Charakterzeichnung haben sich nach dem Teratologen erneut verbessert. Hazel ist und bleibt zwar die zentrale Figur, aber die ganzen Personen, welche ihr im Laufe der Geschichte begegnen, sind selten das was sie zunächst scheinen. Sodass es dazu kommt, dass Leser alles und jeden hinterfragt. Immer wieder ertappt man sich dabei, dass man, in gutgläubiger Art einem Charakter sein Vertrauen schenkt, nur um dann wie mit dem Vorschlaghammer getroffen zu werden, sobald sich dessen wahres Gesicht offenbart. Dabei bleibt er kryptisch genug, um nicht zu viel von den einzelnen Menschen zu verraten, erzählt aber dennoch genau so viel, dass man sich das Bild der Person sehr gut vorstellen kann. Dadurch schafft es das Buch, dass man sich in seiner Welt verlieren kann. 

Fazit: Der Besudler auf der Schwelle ist Lee in Reinkultur, gemischt mit nicht verkennbaren Einflüssen von H.P. Lovecraft. Dabei schafft Lee den Spagat zwischen reiner Perversion und Cthulhu Mythos hervorragend und begeistert den Leser immer wieder mit seinem Mix aus Sex und Mystik. Für Fans von Lee, die mehr wollen, als einfach nur Ekelgeschichten, ein absoluter Geheimtip.

Zur Veröffentlichung. Das Buch wurde 2012 in Deutsch, durch den Festa Verlag veröffentlicht. Dieses Buch ist so nicht im Handel erhältlich und auf lediglich 999 Stück limitiert. Im Buch selber findet man ein Limitierungszertifikat welches die Limitierungsnummer, sowie eine Unterschrift von Edward Lee. Der Preis von 39,99 € ist zwar nicht ohne, aber man bekommt ein wunderschönes Hardcover mit einer Geschichte, die so sicherlich ihres Gleichen sucht. 


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