Der Besudler auf der Schwelle
Edward Lee ist ja bereits dafür bekannt, dass er dem Leser
mit seinen Geschichten immer wieder einen Schlag in den Magen verpasst. Sei es
nun „Das Schwein“, in welchem er dermaßen mit perversen Szenerien um sich
geworfen hat, sodass die eigentliche Geschichte schon fast in den Hintergrund
gerückt wurde, oder „Der Teratologe“ der den Spagat zwischen Perversion und
Glaubenskritik sehr gut hinbekommen hat. Mit „Der Besudler auf der Schwelle“
beschert uns Lee nun eine Fortsetzung zu einem Werk vom Meister des Schreckens
selber, H.P. Lovecraft. Lovecraft hat seinen Lesern immer wieder beigebracht
hat, dass der subtile Horror der weitaus schlimmere sein kann, als die plakative
zur Schaustellung des Grauens. Mit seinem Werk „Haunter of the Dark“ (dt. „der
leuchtende Trapezoeder“ bzw. „Jäger der Finsternis“) erschuff Lovecraft eine
Geschichte, die einem das Blut in den Adern gefrieren lässt. Doch kann Lee,
dessen Geschichten ja nur so vor plakativen Abartigkeiten strotzen, eine
würdige Fortsetzung zu dem Meisterwerk von Lovecraft schreiben?
Der Besudler auf der Schwelle (OT: Haunter of the
Threshold), wirkt zunächst genau so, wie man es sich von einer Geschichte aus
der Feder von Edward Lee erwartet. Man bekommt die Charaktere präsentiert, wird
aber zunächst in eine sehr bizarre und erotische Szenerie geworfen. Alles
beginnt mit einer Vergewaltigung, die, wie sich kurze Zeit später herausstellt,
nur gefaked war. Als Leser lernt man Hazel kennen. Eine junge Frau, in deren
Kopf sich alles nur um das Eine dreht: Sex. Sie ist so davon besessen, dass sie
es einfach liebt, alle möglichen sexuellen Perversionen auszuleben. Allein
Hazel ist schon ein Sinnbild für die Welt von Edward Lee. Eine Frau die zwar
stark ist, da sie sich keineswegs das Butter vom Brot nehmen lässt, allerdings
wird ihr Leben von ihren perversen Trieben beherrscht. Der Leser bekommt dadurch
allerdings immer wieder, eine kranke Szene nach der Anderen geboten und Lee
schafft es diese immer ausufernder zu gestalten. Wo Hazel zunächst „nur“
vergewaltigt wird, da wird ihr am Ende so viel Leid angetan, dass der Leser
nicht anders kann, als wirklich mit sich und seinem Gemütszustand zu ringen. Er
ist geschockt von den ganzen kranken Erlebnissen in dem Leben dieser jungen
Frau.
Die Lee Fans werden also bestens bedient, aber wie sieht es
mit den Lovecraft Fans aus, bekommen auch diese genau das was, sie sich von
einer Fortsetzung vom „Leuchtenden Trapezoeder“ erhofft hatten? Auf jeden Fall.
Man muss aber auch sagen, dass es Lee nicht komplett schafft die
allgegenwärtige Spannung des Originals einzufangen. Es ist auf jeden Fall
ratsam vor dem „Besudler auf der Schwelle“, erst mal das Original zu lesen. Für
all die, die direkt mit der Fortsetzung anfangen möchten, hier eine kurze
Zusammenfassung. Auf 30 Seiten erzählt Lovecraft die Geschichte eines Mannes,
der von einer Kirche fasziniert ist, die eine schrecklich dunkle Aura
versprüht. Eines Tages macht er sich auf zu der Kirche und findet dort den
leuchtenden Trapezoeder. Dadurch beginnt für ihn der wahre Schrecken. Zu viel
von der Geschichte zu verraten, wäre ein wahres Sakrileg. Die Geschichte
schafft es aber, in ihren knapp 30 Seiten, eine dermaßen hohe Spannung bzw.
Angespanntheit beim Leser zu erzeugen, dass er sich nach dem Lesen aus tiefstem
Herzen fürchtet. Ein solches Gefühl in einer so kurzen Erzählung zu erzeugen
ist wirklich beachtlich. Lees Werk umfasst da mehr als das 11 fache des Umfangs
und bewegt sich stets zwischen Lees bekannten Perversitäten und Lovecrafts
Cthulhu Mythos. Was Lee aber hervorragend macht ist, dass er dem Grauen ein
Gesicht bzw. eine Form gibt. In der Kurzgeschichte von Lovecraft manifestiert
sich das Böse nie wirklich, sondern wirkt eher wie ein Hirngespinst des
Protagonisten. Sicherlich ist dies auch ein sehr interessanter Teil der
Geschichte, allerdings würde eine solche Vorgehensweise nicht zu Lee passen, da
dieser von seinen ausschweifenden, perversen und kranken Beschreibungen lebt.
Da Lee hier sehr viel mit Tagträumen und Illusionen
arbeitet, kann er dem Leser ein ums andere Mal Bilder und Welten vorsetzen, die
hervorragend in die Lee/Lovecraft Verbindung passen. Als Beispiel dafür dient
eine recht frühe Szene, in welcher Hazel eine Toilette besucht und dabei wie
aus dem nichts einen ihrer sexuellen Tagträume hat. Sie wird vergewaltigt, doch
dabei schleichen sich eben immer wieder Bilder aus dem Cthulhu Mythos ein,
sodass aus dem Vergewaltiger sehr schnell ein Wesen wird, welches auf Grund
seines grotesken Äußeren eher für Ekel als für Erregung sorgen kann. Und genau
in solchen Szenen glänzt Lee mit einer so kranken wie interessanten
Charakterzeichnung, denn Hazel wird hier eher angeregt, als abgestoßen. Der
Leser ist zwar entsetzt, aber zeitgleich auch von dem Charakter fasziniert.
Die Geschichte an sich wirkt, sobald sie sich um den
leuchtenden Trapezoeder dreht, wirklich wie eine Fortsetzung von Lovecrafts
Erzählung. Man merkt, dass Lee hier ein Fan vom Großmeister ist und mit seinem
Werk eine sinnvolle und logische Weiterführung des Stoffes erschaffen wollte.
Lees Schreibstil und seine Charakterzeichnung haben sich nach dem Teratologen
erneut verbessert. Hazel ist und bleibt zwar die zentrale Figur, aber die
ganzen Personen, welche ihr im Laufe der Geschichte begegnen, sind selten das
was sie zunächst scheinen. Sodass es dazu kommt, dass Leser alles und jeden
hinterfragt. Immer wieder ertappt man sich dabei, dass man, in gutgläubiger Art
einem Charakter sein Vertrauen schenkt, nur um dann wie mit dem Vorschlaghammer
getroffen zu werden, sobald sich dessen wahres Gesicht offenbart. Dabei bleibt
er kryptisch genug, um nicht zu viel von den einzelnen Menschen zu verraten,
erzählt aber dennoch genau so viel, dass man sich das Bild der Person sehr gut
vorstellen kann. Dadurch schafft es das Buch, dass man sich in seiner Welt
verlieren kann.
Fazit: Der Besudler auf der Schwelle ist Lee in Reinkultur,
gemischt mit nicht verkennbaren Einflüssen von H.P. Lovecraft. Dabei schafft
Lee den Spagat zwischen reiner Perversion und Cthulhu Mythos hervorragend und
begeistert den Leser immer wieder mit seinem Mix aus Sex und Mystik. Für Fans
von Lee, die mehr wollen, als einfach nur Ekelgeschichten, ein absoluter
Geheimtip.
Zur Veröffentlichung. Das Buch wurde 2012 in Deutsch, durch
den Festa Verlag veröffentlicht. Dieses Buch ist so nicht im Handel erhältlich
und auf lediglich 999 Stück limitiert. Im Buch selber findet man ein
Limitierungszertifikat welches die Limitierungsnummer, sowie eine Unterschrift
von Edward Lee. Der Preis von 39,99 € ist zwar nicht ohne, aber man bekommt ein
wunderschönes Hardcover mit einer Geschichte, die so sicherlich ihres Gleichen
sucht.
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