Donnerstag, 10. Oktober 2013

Buch Review: Der Teratologe

Der Teratologe


Teratologe, der neuste Streich von Edward Lee, welcher vom Festa Verlag vor kurzem veröffentlicht wurde, versucht in die selbe Schiene zu schlagen wie Das Schwein (Review). Diesmal hat Lee Unterstützung von Wrath James White, der früher als Kickboxer sein Geld verdient hat und inzwischen als Autor sein Glück versucht. Doch wie wirkt sich diese Zusammenarbeit auf das Gesamtwerk aus? Kann der Teratologe genauso überzeugen, wie das Schwein?


Farrington, ein Multimilliardär, hat alles was man sich wünschen kann. Geld, ein wunderschönes Haus, Bedienstete und noch vieles mehr. Doch eins kann er sich mit Geld nicht kaufen, die Macht Gottes. Doch wie erlangt man diese ungreifbare Macht? Wie kann man Gott dazu bringen, sich einem zu offenbaren? Diese Frage stellt er nicht nur sich selbst, sondern auch den beiden Journalisten Westmore und Bryant die von ihrer Zeitung beauftragt worden sind, den medienscheuen Milliardär zu interviewen. Doch dieses Interview wird sie an Grenzen führen, welche für Menschen bisher unbekannt waren. Denn das Grauen wartet auf sie im Haus des verrückten und exzentrischen Farrington.

Die Geschichte vom Teratologen entfaltet sich recht behäbig und man weiß zunächst nicht so recht, was es mit den ganzen Charakteren auf sich hat. Das erste Kapitel wirft nur so mit Abartigkeiten um sich. Besonders deformierte und entstellte Menschen stehen während des gesamten Buches im Vordergrund. Die Erklärung, welche an dieser Stelle nicht verraten wird, weshalb man hier immer wieder körperlich und geistig behinderten Menschen Leid zufügt ist sowohl interessant, als auch abstoßend und zeigt wozu Menschen in ihrer Machtgier fähig sind.  Das Werk schafft es trotz der ganzen Abartigkeiten, den Leser immer wieder aufs Neue zu fesseln. Dies geschieht durch den sehr interessanten Einsatz von spirituellen Inhalten. Der Glauben an sich, wird hier als zentrales Leitmotiv verwendet. An was glaubt der Mensch? An eine höhere Macht, egal welchen Namen diese trägt. Doch wie kann es eben jene Entität zulassen, dass es Menschen gibt, die so deformiert und behindert sind, dass ihr eigenes Leben eine einzige Qual ist. Dieser zentrale Punkt ist es, der den Leser dazu bringt, sich selbst Gedanken über den Sinn des Lebens und eben auch des Glaubens zu machen. Für überzeugte Gläubige ist dieses Werk, genau aus diesem Grund, immer wieder anstößig, wobei diese die Geschichte sowieso nicht lesen werden.

Die Charaktere bleiben über den ganzen Roman sehr bleich aber zeitgleich auch mysteriös. Besonders der medienscheue Farrington wirkt zunächst wie der durchschnittliche Neureiche, welcher sich mit seinem Geld alles auf der Welt kaufen kann, aber dennoch nie wirklich glücklich sein wird. Dadurch kann man sich diesen Charakter fast bildlich vorstellen. Doch in seinem Inneren sieht es ganz anders aus, er ist ein gebrochener Mann dessen Liebe nicht erwidert wird und der es trotz seines Geldes nicht schafft sein wahres Ziel zu erreichen. Die beiden Reporter wachsen mit ihren Aufgaben, bleiben aber bis zur Hälfte des Werks sehr eindimensional. Besonders Westmore schafft es dann aber sich davon zu lösen und wächst dem Leser durch sein beherztes Eingreifen in die Geschichte schnell ans Herz.

Die vorher bereits erwähnten Abartigkeiten, sind bei weitem nicht so selbstzweckhaft wie noch im Schwein, das ja fast ausschließlich aus diesen Ekelmomenten seinen Reiz zog. Man merkt sofort das Lee sich weiterentwickelt hat und inzwischen auch einiges dazu gelernt hat. Sein Schreibstil ist deutlich ernster und mehr auf den Punkt, sodass er hier nicht, wie im Schwein durch kleine Ansprachen an den Leser, das Gesamtgefüge durchbricht. Dies hängt sicherlich auch damit zusammen, dass Lee nun Unterstützung von White hat, dessen Bücher ich zwar noch nicht kenne, welcher sich aber auch durch allerlei extreme Inhalte bereits einen Namen machen konnte. Das treibt die ohnehin sehr mysteriös und unheilvoll angehauchte Atmosphäre noch weiter in die Höhe und man wird von der Geschichte förmlich gefangen genommen. Auf den letzten 20 Seiten geschieht zudem das Unerwartete, auf das man während des Lesens immer gehofft hat. Man ist fast sprachlos, als das Ende dann doch zu dem Aufeinandertreffen führt, von welchem man gedacht hat, dass es nie zustande kommen würde. Wer Lee aber kennt, der wird sich nicht wundern, dass es dann doch ganz anders verläuft, als man es sich in seinen kühnsten Träumen ausgemalt hat. Offene Münder sind dabei vorprogrammiert.

Fazit: Was ist der Teratologe nun genau geworden. Ein Buch, welches das Beste aus „Das Schwein“ mit einem Hauch Lovecraft verbindet und zu einem abenteuerlichen Mix zusammenrührt, der sowohl abstößt, zum Grübeln anregt und zugleich ungemein spannend ist. Das Ende wartet mit einem dermaßen außergewöhnlichen, fast unpassenden Ende auf, dass es einen einfach umhauen muss. Die ganzen Anspielungen auf Gott dürften, gepaart mit den Abartigkeiten, bei gläubigen Lesern für allerlei Verachtung führen. Wer allerdings offen ist und ein Buch erwartet, was mehr als nur ein Ekelmoment nach dem anderen bietet, der wird hier eines der besten extremen Bücher dieses Jahres finden.




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