Der Teratologe
Teratologe, der neuste Streich von Edward Lee, welcher vom
Festa Verlag vor kurzem veröffentlicht wurde, versucht in die selbe Schiene zu
schlagen wie Das Schwein (Review). Diesmal hat Lee Unterstützung von Wrath
James White, der früher als Kickboxer sein Geld verdient hat und inzwischen als
Autor sein Glück versucht. Doch wie wirkt sich diese Zusammenarbeit auf das
Gesamtwerk aus? Kann der Teratologe genauso überzeugen, wie das Schwein?
Farrington, ein Multimilliardär, hat alles was man sich
wünschen kann. Geld, ein wunderschönes Haus, Bedienstete und noch vieles mehr.
Doch eins kann er sich mit Geld nicht kaufen, die Macht Gottes. Doch wie erlangt
man diese ungreifbare Macht? Wie kann man Gott dazu bringen, sich einem zu offenbaren?
Diese Frage stellt er nicht nur sich selbst, sondern auch den beiden
Journalisten Westmore und Bryant die von ihrer Zeitung beauftragt worden sind,
den medienscheuen Milliardär zu interviewen. Doch dieses Interview wird sie an
Grenzen führen, welche für Menschen bisher unbekannt waren. Denn das Grauen
wartet auf sie im Haus des verrückten und exzentrischen Farrington.
Die Geschichte vom Teratologen entfaltet sich recht behäbig
und man weiß zunächst nicht so recht, was es mit den ganzen Charakteren auf sich
hat. Das erste Kapitel wirft nur so mit Abartigkeiten um sich. Besonders
deformierte und entstellte Menschen stehen während des gesamten Buches im
Vordergrund. Die Erklärung, welche an dieser Stelle nicht verraten wird, weshalb
man hier immer wieder körperlich und geistig behinderten Menschen Leid zufügt
ist sowohl interessant, als auch abstoßend und zeigt wozu Menschen in ihrer
Machtgier fähig sind. Das Werk schafft
es trotz der ganzen Abartigkeiten, den Leser immer wieder aufs Neue zu fesseln.
Dies geschieht durch den sehr interessanten Einsatz von spirituellen Inhalten.
Der Glauben an sich, wird hier als zentrales Leitmotiv verwendet. An was glaubt
der Mensch? An eine höhere Macht, egal welchen Namen diese trägt. Doch wie kann
es eben jene Entität zulassen, dass es Menschen gibt, die so deformiert und
behindert sind, dass ihr eigenes Leben eine einzige Qual ist. Dieser zentrale
Punkt ist es, der den Leser dazu bringt, sich selbst Gedanken über den Sinn des
Lebens und eben auch des Glaubens zu machen. Für überzeugte Gläubige ist dieses
Werk, genau aus diesem Grund, immer wieder anstößig, wobei diese die Geschichte
sowieso nicht lesen werden.
Die Charaktere bleiben über den ganzen Roman sehr bleich
aber zeitgleich auch mysteriös. Besonders der medienscheue Farrington wirkt
zunächst wie der durchschnittliche Neureiche, welcher sich mit seinem Geld
alles auf der Welt kaufen kann, aber dennoch nie wirklich glücklich sein wird.
Dadurch kann man sich diesen Charakter fast bildlich vorstellen. Doch in seinem
Inneren sieht es ganz anders aus, er ist ein gebrochener Mann dessen Liebe
nicht erwidert wird und der es trotz seines Geldes nicht schafft sein wahres
Ziel zu erreichen. Die beiden Reporter wachsen mit ihren Aufgaben, bleiben aber
bis zur Hälfte des Werks sehr eindimensional. Besonders Westmore schafft es
dann aber sich davon zu lösen und wächst dem Leser durch sein beherztes
Eingreifen in die Geschichte schnell ans Herz.
Die vorher bereits erwähnten Abartigkeiten, sind bei weitem
nicht so selbstzweckhaft wie noch im Schwein, das ja fast ausschließlich aus
diesen Ekelmomenten seinen Reiz zog. Man merkt sofort das Lee sich
weiterentwickelt hat und inzwischen auch einiges dazu gelernt hat. Sein
Schreibstil ist deutlich ernster und mehr auf den Punkt, sodass er hier nicht,
wie im Schwein durch kleine Ansprachen an den Leser, das Gesamtgefüge
durchbricht. Dies hängt sicherlich auch damit zusammen, dass Lee nun
Unterstützung von White hat, dessen Bücher ich zwar noch nicht kenne, welcher
sich aber auch durch allerlei extreme Inhalte bereits einen Namen machen
konnte. Das treibt die ohnehin sehr mysteriös und unheilvoll angehauchte
Atmosphäre noch weiter in die Höhe und man wird von der Geschichte förmlich
gefangen genommen. Auf den letzten 20 Seiten geschieht zudem das Unerwartete,
auf das man während des Lesens immer gehofft hat. Man ist fast sprachlos, als
das Ende dann doch zu dem Aufeinandertreffen führt, von welchem man gedacht
hat, dass es nie zustande kommen würde. Wer Lee aber kennt, der wird sich nicht
wundern, dass es dann doch ganz anders verläuft, als man es sich in seinen
kühnsten Träumen ausgemalt hat. Offene Münder sind dabei vorprogrammiert.
Fazit: Was ist der Teratologe nun genau geworden. Ein Buch,
welches das Beste aus „Das Schwein“ mit einem Hauch Lovecraft verbindet und zu
einem abenteuerlichen Mix zusammenrührt, der sowohl abstößt, zum Grübeln anregt
und zugleich ungemein spannend ist. Das Ende wartet mit einem dermaßen
außergewöhnlichen, fast unpassenden Ende auf, dass es einen einfach umhauen
muss. Die ganzen Anspielungen auf Gott dürften, gepaart mit den Abartigkeiten,
bei gläubigen Lesern für allerlei Verachtung führen. Wer allerdings offen ist
und ein Buch erwartet, was mehr als nur ein Ekelmoment nach dem anderen bietet,
der wird hier eines der besten extremen Bücher dieses Jahres finden.
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