Malacreanza
Wenn Filmemacher ihrem Stil treu bleiben und dennoch etwas
ganz anderes, als in dem Werk zuvor vermitteln, dann weiß man als Filmfan, dass
man mit jedem neuen Film auch in eine ganz andere Welt entführt wird.
Cosmotropia de Xam, der mit seinem Kunstwerk Diabolique (Review) vor kurzem
erst Aufsehen erregen konnte, lässt nur kurze Zeit später sein nächstes Biest
auf den Zuschauer los. Schon der Trailer zu Malacreanza zeigt, dass es sich
unverkennbar um die Handschrift von Cosmotropia handelt, aber dennoch scheint
das Genre ein ganz anderes zu sein. Doch was genau erwartet einen hier und kann
er auch hier einen solchen guten Eindruck hinterlassen wie bei Diabolique?
Anna wacht nackt und orientierungslos auf. Wo ist sie nur?
Wer hat sie hier hin gebracht? Und wieso ist sie nackt? Auf keine dieser Fragen
scheint es eine Antwort zu geben, aber das ist bei weitem noch nicht das
Schlimmste mit dem Anna zu kämpfen hat, denn irgendeine Macht scheint Besitz
von ihr ergriffen zu haben und kontrolliert jede ihrer Bewegungen. Der wahre
Alptraum hat für sie erst begonnen!
Die Geschichte wirkt zunächst deutlich strukturierter als
noch bei Diabolique, doch man sollte sich nicht davon täuschen lassen. Denn
wenn nach gut 60 Minuten der schwarze Bildschirm auf dem Fernseher zu sehen
ist, dann herrscht im Kopf nur eins: Ratlosigkeit. Nachdem mich Diabolique gut
1 Woche lang beschäftigt hat, habe ich mich nun an den neusten Streich von
Cosmotropia gewagt. Und wo ich nach dem Ende von Diabolique noch mit einem Wow
im Kopf zurück gelassen wurde, da fühl ich mich nach der ersten Sichtung von
Malacreanza eher überfahren und erschöpft. Erschöpft von einem wahren
Bombardement an Bildern, Klängen und einer Geschichte, die so viele
Deutungsmöglichkeiten bietet, dass man gar nicht weiß wo man anfangen soll und
wo man aufhören kann.
Wenn man Malacreanza dann überstanden hat und ich denke
schon, dass es genug Leute geben wird, die bei dem Versuch kläglich scheitern
werden, denn entfalten die einzelnen Szenen erst ihre richtige Wirkung. Sie spuken
einem im Kopf herum, wie ein Alptraum der einen Nacht für Nacht quält und nicht
in Ruhe lässt. Wie auch Anna, so wird auch der Zuschauer von einer unsichtbaren
Kraft in eine unheilvolle und andersartige Welt entführt. Dazu trägt vor allem
bei, dass der ganze Film auf italienisch ist und lediglich feste englische
Untertitel zu bieten hat. Wer hier weder das eine noch das andere versteht, der
wird dem Film nach wenigen Minuten nicht mehr folgen können. Die Sprache an
sich, verleiht dem Film aber eine Atmosphäre die ihresgleichen sucht. Besonders
die einzelnen Sätze, welche in englischer Sprache auf dem Bildschirm zu lesen
sind und auf italienisch vorgelesen werden, haben etwas von einem Zauberspruch,
gar von einem Fluch, der über den Zuschauer und die Protagonistin gelegt wird.
Gefangen in einer Welt ohne jegliche Zeit muss man versuchen die Puzzlestücke
zusammen zu setzen.
Wie schon gesagt, besteht Malacreanza aus einigen Szenen,
die sich nach dem Ende zu einem Ganzen zusammensetzen möchten. Um hier nicht
allzu viel zu verraten möchte ich an dieser Stelle nur eine einzige davon
aufgreifen, welche mich am meisten beeindruckt hat. Dabei handelt es sich um
die Transformationsszene. Diesen Namen habe ich ihr gegeben und so wird sie im
Film nicht betitelt, aber jeder der den Film gesehen hat, wird wissen auf
welche Szene ich hinaus will. Gut 10 Minuten lang wird der Zuschauer mit
hypnotischen Bewegungen von Shivabel verzaubert. Unterstrichen werden diese
Bewegungen lediglich von einem absolut monotonen Soundtrack und das ist hier
nicht negativ, sondern äußerst positiv gemeint. Denn das Zusammenspiel aus
Bewegungen, Klängen und der interessanten Farbgestaltung manifestieren vor dem
inneren Auge einen wahren Trip der Eindrücke, den man so schnell nicht vergessen
kann und wird.
Doch wofür stehen alle diese Szenen? Eine Deutung fällt
schwer und wer denkt, dass am Ende doch alles irgendwie Sinn macht, der täuscht
sich gewaltig. Das liegt aber einfach daran, dass es eben nicht nur eine
Geschichte zu entdecken gibt, sondern mehrere. Nichts ist so wie es zunächst
scheint und jeder kann für sich selbst genau das erfahren, was er selber will.
Richtig und Falsch gibt es hier nicht. Und ein Mindfuck ist immer nur so stark,
wie es der Zuschauer selber zulässt. Wer sich mit Filmanalysen und
Bildersprache auskennt, dem wird es sicherlich nicht schwer fallen, Seiten mit
den möglichen Deutungsmöglichkeiten zu füllen, ohne wirklich alle Geschichten
zu entdecken. Ein Film der davon lebt erlebt zu werden. Wo Diabolique einen
noch fallen lies, da schmeißt einen Malacreanza immer wieder aufs Neue zurück
auf den Boden, hält einen Fest und verlangt von einem sich alles erneut durch
den Kopf gehen zu lassen. Als kleiner Tipp von mir an dieser Stelle sei noch
gesagt, dass es sich lohnt den Film nicht bei Beginn des Abspannes
auszuschalten, denn was dann kommt, könnte einen ganz neuen Blickwinkel auf die
Geschichte eröffnen.
Fazit: Malacreanza ist so viel mehr als 1 simpler Film. Er ist eine
Aneinanderreihung von Szenen, die für sich gesehen wie das Werk eines
verrückten Künstlers wirken, doch wer die Sprache der Bilder und die Bedeutung
des Gezeigten zu Deuten gewillt ist, der wird etwas Einzigartiges und
Besonderes finden, wie man es vielleicht nur aus den Werken von Lynch kennt. An
dieser Stelle muss aber noch kurz gesagt werden, dass alle die, die Diabolique
schon für unverständlich gehalten haben, hier etwas finden werden, dass sie nie
verstehen werden. Ein Film der so viele mögliche Genre vereint und doch auf
keines festgenagelt werden kann. Anschauen auf eigene Gefahr und nur wenn man
bereit ist, sich wirklich Gedanken über das Gezeigte zu machen. Wer sich darauf
allerdings einlassen kann und will, den wird dieser Film wohl nie wieder los
lassen!
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