Mittwoch, 20. November 2013

Review: Only God Forgives

Only God Forgives


Nicolas Winding Refn und Ryan Gosling sind zurück. Nachdem das Duo mit Drive schon für Begeisterungsstürme gesorgt hat, schlagen sie nun mit Only God Forgives erneut zu. Doch was genau erwartet den geneigten Zuschauer hier? Können sie an den Erfolg des Vorgängers anknüpfen oder haben die zahlreichen vernichtenden Kritiken vom Filmfestival in Cannes doch Recht?

Näheres zur Geschichte zu sagen, möchte ich mir an dieser Stelle direkt sparen. Nicht weil sie so schlecht ist oder gar langweilig, sondern weil der Film enorm davon profitiert, dass man so wenig wie möglich von ihm weiß. Ein kleines Detail kann man allerdings verraten und zwar, dass auch in Only God Forgives das zentrale Thema Rache ist, genauso wie in Drive. Allerdings hören hier die Gemeinsamkeiten der beiden Werke auch schon auf. Wo Drive noch auf einen guten Mix aus Romantik, Ehre, Beschützerinstinkt, Action und Gewalt setzte, fehlt dies bei OGF komplett. Dieser ist vielmehr ein Rachestück, welches allerdings zu keinem Zeitpunkt wirklich Stellung bezieht. Das heißt man weiß nie wer hier der Gute oder der Böse ist. In Drive waren die Rollen da viel klarer verteilt und man wusste von der ersten bis zur letzten Sekunde wer der Böse und wer der Gute ist.


Immer wieder merkt man hier deutlich, dass Drive viel mainstreamiger und massentauglicher war als sein Nachfolger. In Only God Forgives zeigt Winding Refn, das er Filme nicht für das breite Publikum machen will, sondern viel mehr für Fans des Arthouse Kinos. Besonders schön dabei ist, dass er seinen neusten Streich Alejandro Jodorowsky, welcher für Filme wie El Topo und Montana Sacra verantwortlich war, gewidmet hat. Dessen Filme waren ja auch alles andere als normal. Von der ersten Minute an merkt man dem Film an, dass er viel ruhiger und behäbiger agiert als Drive. Die Gesichter werden manchmal minutenlang eingefangen ohne sich jemals zu bewegen oder auch nur eine minimale Regung zu tätigen. Das verleiht dem Ganzen den Eindruck, man würde ein Standbild anschauen. Hierbei muss man sich besonders die Szenen in der Karaoke Bar vor Augen halten. Denn während der Polizeichef auf der Bühne steht und ein herzerwärmendes Lied nach dem anderen trällert, sieht man in den Gesichtern der Gäste absolut keine Regung. Wie versteinert sitzen sie auf ihren Platz und alles um den Zuschauer scheint still zu stehen.


Wo Winding Refn in Drive noch auf schnelle Action, markante Sprüche, sowie auf die schon angesprochen herzzerbrechende Story Wert gelegt hat, setzt er hier auf das genaue Gegenteil. Kaum Dialoge und wenn dann wird meistens nur auf thailändisch gesprochen. Wenn die Akteure dann doch miteinander kommunizieren, dann sieht man den Darstellern auch dabei keinerlei Gefühlsregung an, ein Highlight ist hier Ryan Gosling, der während dem kompletten Film wie ein Eisblock wirkt und das ist hier äußerst positiv. Man kann den Charakter des Julian nicht lesen, egal wie sehr man es probiert. Viel mehr sind hier die Taten aussagekräftiger als alles andere.


Darüber hinaus bleiben die Charaktere den ganzen Film über mysteriös und werden kaum näher beleuchtet. Wo Drive darauf gesetzt hat, dass man sich mit den Charakteren verbunden gefühlt hat, da entzieht einem Only God Forgives förmlich diese Grundlage. Man sucht Halt in dem Charakter des Julian nur um immer wieder abzurutschen und den Halt zu verlieren. Das mag sicherlich einige Leute abschrecken, da man eben den ganzen Film über auf der Suche nach einem Sinn und einem Haltepunkt ist. Für Fans des etwas anderen Films dürfte aber genau dies ein Punkt sein, den sie so oft in den großen Hollywoodproduktionen vermisst haben.


Only God Forgives hält einem zu keinem Zeitpunkt an der Hand oder erklärt vorab groß was als nächstes passieren wird. Immer wieder befindet man sich als Zuschauer in einer Situation in der man nicht so richtig weiß, wieso beispielsweise ein Mensch getötet wird, nur um im Nachhinein zu erfahren was bzw. wer dahinter steckt. Wo in Drive alles mit einem roten Faden verbunden war, reißt dieser in Only God Forgives nicht nur einmal ab, um dann nicht mehr aufgegriffen zu werden. Man muss den Film einfach erleben und den Kopf teilweise ausstellen, um die gewünschte Wirkung zu erhalten. Unterstützt wird das Ganze darüber hinaus von einer Farbgebung die dermaßen unwirklich und abseitig ist, dass es für Fans des Experimentellen Films ein wahrer Traum ist. Hinter jeder Ecke warten Neonfarben auf einen, Gesichter werden in blaues, rotes oder orangenes Licht getaucht und immer wieder sehen die Figuren Gesichter oder gar ganze Menschen, die entweder da sind oder aber auch nicht. Man weiß nie was wirklich passiert oder was nicht. Sind einzelne Figuren wirklich da, oder sind dies nur Sinnbilder für andere Charaktere. Die Tendenz zum Mindfuck, also Szenen die mit dem Kopf des Zuschauers spielen und ihn verwirren wollen, ist allgegenwertig, ein gutes Beispiel dafür ist die Szene als Julian eine Stripperin zu sich einlädt. Da man nicht zu viel von dem Film verraten sollte, muss jeder selber diesen Trip erleben und für sich selber eine Deutung finden.


Die Musik, welche wie in Drive auch von Cliff Martinez, erstellt wurde zeigt sich eher zurückhaltend. Wo sich in Drive zu dem Score auch noch ein paar richtige Songs gesellt haben, beschert einem der Score von Only God Forgives viel mehr eine sehr unterschwellige, fast unwirkliche Geräuschuntermalung, die für sich gesehen absolut überzeugen kann, aber sehr dezent eingesetzt wird. Lediglich die kurzen thailändischen Lieder, welche in der deutschen Fassung leider nicht übersetzt worden sind, bieten hier etwas Abwechslung. Gepaart mit den extremen Farben ergibt sich dadurch ein Audiovisueller Trip, der so für ein außergewöhnliches Erlebnis sorgen kann. Natürlich waren die Bild- und Tonkompositionen auch in Drive schon sehr gut, doch hier erreicht Winding Refn wirklich den nächsten Level. Alles ist unheilvoll, brutal und kalt. Die Nerven des Zuschauers sind angespannt und man weiß nie was als nächstes auf einen wartet. Wird der Film in eine Gewaltorgie explodieren oder passiert etwas, mit dem man nicht rechnet?


Apropos Gewalt, was Only God Forgives hier zeigt, oder viel mehr andeutet ist nicht gerade leichte Kost. Wo Drive zwar noch deutlich stärker drauf hält und einen wahrlich mit der Gewalt schockt, da eben während des gesamten Filmes eine romantische Grundstimmung vorherrscht, da hofft man in Only God Forgives förmlich drauf, dass das Ganze in einer Gewaltspitze endet. Doch diese bleibt immer wieder aus. Dafür bekommt man diese Szenen eben dann präsentiert, wenn man am wenigsten damit rechnet, wodurch sie einen noch viel stärken Eindruck hinterlassen als in Drive. Zwar hält der Film nicht immer voll drauf, aber wenn er es dann tut, sind die Ergebnisse meist dermaßen gut und extrem umgesetzt, dass man sich als Zuschauer nur fragend an den Kopf fassen kann, wie hier eine FSK 16 Freigabe vergeben werden konnte.


Fazit: Was ist Only God Forgives nun geworden. Ein Film, der einen zu keinem Zeitpunkt bei der Hand nimmt, einen immer wieder ins kalte Wasser wirft und eine Story verfolgt die nicht wirklich Sinn macht. Für all diejenigen, die solchen Filmen etwas abgewinnen können, ist Only God Forgives sicherlich empfehlenswert. Wer außergewöhnliche Filme mag, die sich nicht an Konventionen festhalten dürfte dieser Film vielleicht sogar eines der Highlights des Jahres sein. Wer allerdings einen Film wie Drive erwartet, der wird sicherlich enttäuscht werden. Dennoch schafft es die Kombo Winding Refn und Gosling auch hier wieder zu zeigen, warum man immer wieder mit ihnen rechnen muss und für mich ist dieser Film genau das geworden, was ich mir nach dem Trailer erwartet und erhofft habe. Ein Film der zeigt wozu das Medium Film gut ist. Ein Trip der ganz anders ist, als die ganzen Hollywoodfilme die man jedes Jahr zu tausenden um die Ohren geworfen bekommt.


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