Only God Forgives
Nicolas Winding Refn und Ryan Gosling sind zurück. Nachdem
das Duo mit Drive schon für Begeisterungsstürme gesorgt hat, schlagen sie nun
mit Only God Forgives erneut zu. Doch was genau erwartet den geneigten
Zuschauer hier? Können sie an den Erfolg des Vorgängers anknüpfen oder haben
die zahlreichen vernichtenden Kritiken vom Filmfestival in Cannes doch Recht?
Näheres zur Geschichte zu sagen, möchte ich mir an dieser
Stelle direkt sparen. Nicht weil sie so schlecht ist oder gar langweilig,
sondern weil der Film enorm davon profitiert, dass man so wenig wie möglich von
ihm weiß. Ein kleines Detail kann man allerdings verraten und zwar, dass auch
in Only God Forgives das zentrale Thema Rache ist, genauso wie in Drive.
Allerdings hören hier die Gemeinsamkeiten der beiden Werke auch schon auf. Wo
Drive noch auf einen guten Mix aus Romantik, Ehre, Beschützerinstinkt, Action
und Gewalt setzte, fehlt dies bei OGF komplett. Dieser ist vielmehr ein
Rachestück, welches allerdings zu keinem Zeitpunkt wirklich Stellung bezieht.
Das heißt man weiß nie wer hier der Gute oder der Böse ist. In Drive waren die
Rollen da viel klarer verteilt und man wusste von der ersten bis zur letzten
Sekunde wer der Böse und wer der Gute ist.
Immer wieder merkt man hier deutlich, dass Drive viel
mainstreamiger und massentauglicher war als sein Nachfolger. In Only God
Forgives zeigt Winding Refn, das er Filme nicht für das breite Publikum machen
will, sondern viel mehr für Fans des Arthouse Kinos. Besonders schön dabei ist,
dass er seinen neusten Streich Alejandro Jodorowsky, welcher für Filme wie El
Topo und Montana Sacra verantwortlich war, gewidmet hat. Dessen Filme waren ja
auch alles andere als normal. Von der ersten Minute an merkt man dem Film an,
dass er viel ruhiger und behäbiger agiert als Drive. Die Gesichter werden
manchmal minutenlang eingefangen ohne sich jemals zu bewegen oder auch nur eine
minimale Regung zu tätigen. Das verleiht dem Ganzen den Eindruck, man würde ein
Standbild anschauen. Hierbei muss man sich besonders die Szenen in der Karaoke
Bar vor Augen halten. Denn während der Polizeichef auf der Bühne steht und ein
herzerwärmendes Lied nach dem anderen trällert, sieht man in den Gesichtern der
Gäste absolut keine Regung. Wie versteinert sitzen sie auf ihren Platz und
alles um den Zuschauer scheint still zu stehen.
Wo Winding Refn in Drive noch auf schnelle Action, markante
Sprüche, sowie auf die schon angesprochen herzzerbrechende Story Wert gelegt
hat, setzt er hier auf das genaue Gegenteil. Kaum Dialoge und wenn dann wird
meistens nur auf thailändisch gesprochen. Wenn die Akteure dann doch
miteinander kommunizieren, dann sieht man den Darstellern auch dabei keinerlei
Gefühlsregung an, ein Highlight ist hier Ryan Gosling, der während dem
kompletten Film wie ein Eisblock wirkt und das ist hier äußerst positiv. Man
kann den Charakter des Julian nicht lesen, egal wie sehr man es probiert. Viel
mehr sind hier die Taten aussagekräftiger als alles andere.
Darüber hinaus bleiben die Charaktere den ganzen Film über
mysteriös und werden kaum näher beleuchtet. Wo Drive darauf gesetzt hat, dass
man sich mit den Charakteren verbunden gefühlt hat, da entzieht einem Only God
Forgives förmlich diese Grundlage. Man sucht Halt in dem Charakter des Julian
nur um immer wieder abzurutschen und den Halt zu verlieren. Das mag sicherlich
einige Leute abschrecken, da man eben den ganzen Film über auf der Suche nach
einem Sinn und einem Haltepunkt ist. Für Fans des etwas anderen Films dürfte
aber genau dies ein Punkt sein, den sie so oft in den großen Hollywoodproduktionen
vermisst haben.
Only God Forgives hält einem zu keinem Zeitpunkt an der Hand
oder erklärt vorab groß was als nächstes passieren wird. Immer wieder befindet
man sich als Zuschauer in einer Situation in der man nicht so richtig weiß,
wieso beispielsweise ein Mensch getötet wird, nur um im Nachhinein zu erfahren
was bzw. wer dahinter steckt. Wo in Drive alles mit einem roten Faden verbunden
war, reißt dieser in Only God Forgives nicht nur einmal ab, um dann nicht mehr
aufgegriffen zu werden. Man muss den Film einfach erleben und den Kopf
teilweise ausstellen, um die gewünschte Wirkung zu erhalten. Unterstützt wird
das Ganze darüber hinaus von einer Farbgebung die dermaßen unwirklich und
abseitig ist, dass es für Fans des Experimentellen Films ein wahrer Traum ist.
Hinter jeder Ecke warten Neonfarben auf einen, Gesichter werden in blaues,
rotes oder orangenes Licht getaucht und immer wieder sehen die Figuren
Gesichter oder gar ganze Menschen, die entweder da sind oder aber auch nicht.
Man weiß nie was wirklich passiert oder was nicht. Sind einzelne Figuren
wirklich da, oder sind dies nur Sinnbilder für andere Charaktere. Die Tendenz
zum Mindfuck, also Szenen die mit dem Kopf des Zuschauers spielen und ihn
verwirren wollen, ist allgegenwertig, ein gutes Beispiel dafür ist die Szene
als Julian eine Stripperin zu sich einlädt. Da man nicht zu viel von dem Film
verraten sollte, muss jeder selber diesen Trip erleben und für sich selber eine
Deutung finden.
Die Musik, welche wie in Drive auch von Cliff Martinez,
erstellt wurde zeigt sich eher zurückhaltend. Wo sich in Drive zu dem Score auch
noch ein paar richtige Songs gesellt haben, beschert einem der Score von Only
God Forgives viel mehr eine sehr unterschwellige, fast unwirkliche
Geräuschuntermalung, die für sich gesehen absolut überzeugen kann, aber sehr
dezent eingesetzt wird. Lediglich die kurzen thailändischen Lieder, welche in
der deutschen Fassung leider nicht übersetzt worden sind, bieten hier etwas
Abwechslung. Gepaart mit den extremen Farben ergibt sich dadurch ein
Audiovisueller Trip, der so für ein außergewöhnliches Erlebnis sorgen kann.
Natürlich waren die Bild- und Tonkompositionen auch in Drive schon sehr gut,
doch hier erreicht Winding Refn wirklich den nächsten Level. Alles ist
unheilvoll, brutal und kalt. Die Nerven des Zuschauers sind angespannt und man
weiß nie was als nächstes auf einen wartet. Wird der Film in eine Gewaltorgie
explodieren oder passiert etwas, mit dem man nicht rechnet?
Apropos Gewalt, was Only God Forgives hier zeigt, oder viel
mehr andeutet ist nicht gerade leichte Kost. Wo Drive zwar noch deutlich
stärker drauf hält und einen wahrlich mit der Gewalt schockt, da eben während
des gesamten Filmes eine romantische Grundstimmung vorherrscht, da hofft man in
Only God Forgives förmlich drauf, dass das Ganze in einer Gewaltspitze endet.
Doch diese bleibt immer wieder aus. Dafür bekommt man diese Szenen eben dann
präsentiert, wenn man am wenigsten damit rechnet, wodurch sie einen noch viel
stärken Eindruck hinterlassen als in Drive. Zwar hält der Film nicht immer voll
drauf, aber wenn er es dann tut, sind die Ergebnisse meist dermaßen gut und
extrem umgesetzt, dass man sich als Zuschauer nur fragend an den Kopf fassen
kann, wie hier eine FSK 16 Freigabe vergeben werden konnte.
Fazit: Was ist Only God Forgives nun geworden. Ein Film, der
einen zu keinem Zeitpunkt bei der Hand nimmt, einen immer wieder ins kalte
Wasser wirft und eine Story verfolgt die nicht wirklich Sinn macht. Für all
diejenigen, die solchen Filmen etwas abgewinnen können, ist Only God Forgives
sicherlich empfehlenswert. Wer außergewöhnliche Filme mag, die sich nicht an
Konventionen festhalten dürfte dieser Film vielleicht sogar eines der
Highlights des Jahres sein. Wer allerdings einen Film wie Drive erwartet, der
wird sicherlich enttäuscht werden. Dennoch schafft es die Kombo Winding Refn
und Gosling auch hier wieder zu zeigen, warum man immer wieder mit ihnen
rechnen muss und für mich ist dieser Film genau das geworden, was ich mir nach
dem Trailer erwartet und erhofft habe. Ein Film der zeigt wozu das Medium Film
gut ist. Ein Trip der ganz anders ist, als die ganzen Hollywoodfilme die man
jedes Jahr zu tausenden um die Ohren geworfen bekommt.
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