Midori - Das Kamelienmädchen
Japan, das Land der Monster und auch der Animes/Mangas, ist
ja dafür bekannt, dass es immer wieder auch einige merkwürdige Köpfe
hervorbringt. Ähnlich verhält es sich da auch bei Suehiro Maruo, welcher das
Buch, bzw. den Manga zu Midori – Das Kamelienmädchen schrieb. Abseitig, krank,
ja fast sogar pervers spiegelt dieses Werk das Leben von Midori wieder. Da
verwundert es auch nicht, dass der gleichnamige Film in Japan verboten wurde.
Dafür verantwortlich zeichnete sich, im wahrsten Sinne des Wortes, Hiroshi
Harada, der dieses Werk ganz alleine umsetzte. Lediglich die Musik und die
Stimmen wurden von einigen Helfern beigesteuert. In 5 jähriger Arbeit zeichnete
er jede Szene selber und konnte somit seine ganz eigene Vision von Midori
umsetzen. Aber hat sich die harte Arbeit gelohnt?
Midori ist ein einsames Mädchen, ihr Vater ist verschwunden,
ihrer Mutter ist schwer krank. So bleibt ihr nichts anderes übrig als Kamelien,
eine ganz besondere Art von Blumen, in den Straßen zu verkaufen. Eines Abends
kauft ihr ein Fremder alle Blumen ab, wodurch Midori genug Geld für die anstehende
Klassenreise hat. Mit der freudigen Nachricht im Gepäck kommt sich nach Hause,
nur um dort ihre Mutter, zerfressen von Ratten aufzufinden. Allein bleibt ihr
nichts anderes übrig, als sich ein neues zu Hause zu suchen. Da fällt ihr der
nette Mann ein, welcher ihr alle Blumen abgekauft hat. Als sie zu ihm kommt,
muss sie feststellen, dass dieser Chef einer Freakshow ist und prompt wird auch
Midori Teil dieser Show. Dort führt sie ihr Leben, als unbeachtete und oft misshandelte
Person, bis eines Tages der kleine Zwerg in ihr Leben tritt und von nun an, wendet
sich das Blatt für Midori. Sie wird auf Händen getragen und die anderen müssen
Leiden, doch was führt der Zwerg im Schilde?
Die Geschichte von Midori ist wunderschön erzählt und trotz
der grausamen, fast schon perversen Bilder, schafft es der Film immer wieder
auch die Lust am Leben zu wecken. Dies wird zudem vom Stil des Filmes
unterstützt, denn das ganze läuft bei weitem nicht flüssig. Besonders zu Beginn
stagnieren die Bilder in ihrer Bewegung. Nichts bewegt sich und man fühlt sich,
als würde man ein Gemälde betrachten. Dies wirkt zunächst auf den Zuschauer
befremdlich, andersartig und auch verstörend. Man weiß nicht so recht, was man
da gerade erlebt. Man ist gefangen mit den Bildern, ohne Hilfe muss man sich
selbst einen Reim aus den unterschiedlichen Impressionen machen und wird dabei
immer wieder fallen gelassen. Zudem schafft es die filmische Umsetzung, einen
mit Hilfe von wunderschönen Bildern die Ausweglosigkeit der Charaktere zu
vermitteln. Wenn Midori beispielsweise dem vorbeifahrenden Zug nach winkt, weiß
man das sie sich nichts mehr wünscht, als aus dieser Gesellschaft zu entkommen
und ein normales Leben zu leben.
Die Charaktere sind sehr interessant gezeichnet, auch wenn
Midori eindeutig im Mittelpunkt steht. Sie wirkt wie eine Figur, mit der sich
der Zuschauer selber identifizieren will. Einsam, hilflos und verlassen, wird
man Zeuge wie Midori sich durch ihr neues Leben kämpfen muss. Zunächst ist sie
gefangen in ihrer neuen Umgebung, ohne Halt und ohne jemanden an den sie sich
wenden kann, wird sie von den Freaks misshandelt und geschändet. Sie wird sogar
nackt zusammen gebunden, sodass man sich unweigerlich an einen Bondagefilm
erinnert fühlt. Man muss bedenken, dass es sich bei Midori immer noch um einen
Anime handelt. Natürlich gibt es auch hier deutlich explizitere Werke, doch was
Midori vom Stappel lässt ist wirklich sehr abseitig. Zudem wird sie Zeuge von
Eyeball-Licking Szenen, in welcher der Chef der Freaks dem Mädchen mit einem
Penis, das Auge leckt. Man kämpft immer wieder mit der Lethargie in welcher
auch Midori gefangen ist. Man kann nicht anders als hinschauen, fühlt sich
gleichzeitig aber machtlos und kraftlos und will eigentlich nur auf dem
schrecklichen Treiben ausbrechen. Tiersnuff, wenn auch nur in gezeichneter
Form, muss man auch über sich ergehen lassen. Das Werk strotzt nur so vor
kranken Ideen.
Der Zwerg, welcher neben Midori die zweite Hauptrolle
verkörpert, wirkt zunächst wie ein Retter für Midori, welcher sie aus der
Lethargie reißen will und sie vor allem und jedem beschützen möchte. Doch dabei
zeigt sich schnell, dass er sie nicht nur beschützen will, sondern sie auch
besitzen möchte. Keiner darf ihr zu nahe kommen und wenn dies doch passiert,
muss derjenige teuer bezahlen. Zudem versteckt sich hinter dem Zwerg, der
Charakter eines Cholerikers, welcher keinerlei Zweifel an sich oder seinen
magischen Fähigkeiten zulässt. Dies gipfelt in einer der abartigsten Szenen des
ganzen Films, wenn zu harten, schnellen Klängen die Körper der Zuschauer mit
Hilfe der Magie in sich krümmende und zerplatzende Gestalten werden. Der
Zuschauer wird förmlich überschüttet mit Blut, Kot und Erbrochenem, sodass er
sich selbst vor Ekel krümmt. Die Freaks sind zunächst die größte Bedrohung für
Midori. Sie misshandeln sie, vergewaltigen sie, wodurch der Film sich auch mit
der heiklen Thematik der Pädophilie und der Vergewaltigung an Minderjährigen
beschäftigt. Allerdings wandelt sich das Bild, als der Zwerg eben jene Rolle,
des Herrschers und Unterdrückers einnimmt. Dadurch stellt der Zuschauer sich
unweigerlich die Fragen, ob die Freaks vielleicht die wahren Menschen sind? Die
Midori akzeptieren, so wie sie ist? Der Film bietet so viel Spielraum für
Interpretationen, dass man auch nach mehrmaligem Sehen immer wieder was
entdecken kann.
Auf Grund der zeichnerischen Freiheit, stand es Harada
natürlich offen, sich und seine Ideen so zu verwirklichen, wie es für ihn
richtig war. Und das merkt man auch an der Umsetzung. Die zunächst lethargisch
wirkenden Bilder, weichen mit der Zeit einem schnellen Schnittstakato, welches
den Zuschauer innerhalb weniger Sekunden mit unglaublich vielen, meist
perversen und ekelhaften Bildern bombardiert. Sodass man sich einer wahren Tour
De Force ausgesetzt sieht. Die Schnitte gipfeln am Ende in einen wahren Erguss
von abseitigen Deformationen, welche weder vor den Freaks noch vor Midori
selbst halt machen. Wenn man nach diesem überwältigen Orgasmus an Perversion
kraftlos in den Bildschirm starrt, wird man als Dank dafür mit einem weißen
Bildschirm belohnt. Die Reinheit und der wahre Sinn des Lebens wurde erreicht.
Man ist frei, genau wie Midori die durch ihren Ausbruch der Gefühle endlich
dort hingelangt, wo sie immer hin wollte.
Auch die Musik ist ein wichtiges Stilmittel, wodurch die
einzelnen Szenen von Midori erst die Kraft über den Zuschauer erlangen können.
Neben meist märchenhaften Klängen, die einem immer wieder versuchen Sicherheit
in einer Welt zu geben, in der es keine Sicherheit gibt, bekommt man immer
wieder verzerrte und unwohlsein erweckende Sounds präsentiert, die das wahre,
das ungeschönte Böse zeigen. Und wenn dies dann, gepaart mit dem wilden
Schnittfeuerwerk der zerplatzenden und sich krampfartig bäumenden Menschen, auf
den Zuschauer losgelassen wird, dann ist man schon vom Zusehen erschöpft und
entkräftet. Es ist ein wahres Wechselbad der Emotionen, in welchem man sich zu keinem
Zeitpunkt wirklich sicher fühlen darf.
Harada selbst wehrte sich zudem immer dagegen, seinen Film
als Heimmedium zu veröffentlichen und begründete dies damit, dass man Midori
nur live erleben kann. Dabei wurde der Film in einem großen Saal oder Kino
gezeigt, doch die Zuschauer mussten davor durch eine Art Labyrinth und wurden dadurch
auf die kommenden Absurditäten und Perversionen eingestimmt. Sie kamen an
entstellten und verformten Menschen vorbei und wurden dann von echten
Darstellern in Empfang genommen, welche die Szenen aus dem Film zeitgleich
nachstellten und so für noch mehr Surrealität sorgen konnten. Die Musik wurde
live gespielt und konnte so noch einen deutlich größeren Bann auf den Zuschauer
auswirken. Dieser Zauber bleibt einem bei der Sichtung des Heimmediums leider
verborgen.
Die französische DVD von Cine Malta ist weltweit die
einzigste Möglichkeit Midori zu Hause zu bestaunen. Wie bereits erwähnt lehnte
es Harada immer ab, diesen Film als VHS/DVD zu veröffentlichen. Natürlich
stellt sich hier unweigerlich die Frage, wie es Cine Malta geschafft hat,
diesen Film zu lizensieren, aber was dabei herausgekommen ist, kann sich
wirklich sehen lassen. Die Bildqualität ist sehr gut geworden und man hat zu keiner
Zeit das Gefühl eine VHS zu sehen. Die DVD bietet nur die Japanische
Sprachfassung, dafür aber mit 5 auswählbaren Untertiteln. Neben französisch,
auch englisch und deutsch. Die deutschen Untertitel sind recht gut geworden,
allerdings gibt es bei dem Zeichen „ß“ immer einen Fehler. Wenn man das
allerdings weiß, dann weiß man auch welches Wort gemeint ist. An Bonusmaterial
bekommt man eine Slideshow, welche innerhalb von 7 Minuten die Hintergründe der
Live Version von Midori erklärt und einen einen Einblick darin gewährt, wie es
sich angefühlt hat, Midori mit echten Schauspielern zu sehen. Zudem gibt es
noch ein 16 minütiges Interview mit dem Regisseur zu sehen, welches englisch
untertitelt ist. Dieses Interview gefährt einen Einblick in die Entstehung des
Films und die Probleme welche sich dem Regisseur dabei entgegen stellten. Zudem
gibt es noch ein 12 seitiges Booklet, welches je 6 Seiten in französisch und 6
in englischer Sprache beinhaltet. Hier werden einige Intergründe zu Midori
beleuchtet. Alles in allem ist die französische DVD von Cine Malta wohl ein
wahres Rundumsorglos Paket und da es auch keine Alternative gibt, kann man hier
bedenkenlos zuschlagen.
Fazit: Midori – das Kamelienmädchen ist ein abseitiger
Bastard eines Animes. Roh, dreckig und blutig wird hier die Geschichte eines
einsamen, verzweifelten Mädchens erzählt, welches so bisher noch nicht zu sehen
war. Für Fans der ganz besonderen Kost absolutes Pflichtprogramm. Wer offen ist
und dem Japanischen Anime nicht abgeneigt ist, sollte einen Blick riskieren.
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