Donnerstag, 28. Januar 2016

Kurzfilm Review: Sommerkälte

Sommerkälte


Der deutsche Amateur- und Independent Film durchlebt derzeit eine Evolution. Weg vom Wald-und-Wiesen-Splatter, hin zu nachdenklichen, oftmals kontroversen Werken. Die Schock Wirkung auf den Zuschauer bleibt dennoch dieselbe, doch wird diese Wirkung nicht mit Blut und abgetrennten Körperteilen erreicht, sondern mit Szenen, die fernab vom guten Geschmack zu finden sind. Diese Evolution rührt sicherlich auch aus der Veränderung innerhalb der Gesellschaft. Stammen doch die meisten Splatterfilme aus den späten 80ern und frühen 90ern, Jahrzehnte in denen die Rebellen die Straßen Deutschlands besiedelten. In der heutigen Zeit herrscht diese Rebellion zwar weiterhin fort, doch statt Bier und Punk, gibt es nun viel mehr Leute, die den wahren Kern der Probleme erkennen, sodass auch die Herangehensweise an Filme durchdachte und geklärter ist, als die chaotisch-lustigen Ergüsse von Schnaas und Ittenbach. Sommerkälte ist ein eben solcher Film, der ein beklemmendes und gleichzeitig extrem verstörendes Bild zeichnet. Doch gelingt es ihm eine starke Nachwirkung zu erzielen? 

Die Story lass ich direkt außen vor. Es fällt schwer dieses Werk in Worte zu fassen. Der rote Faden wird durch vielerlei Metaphern versteckt, wodurch das Publikum das Gefühl hat, eine Aneinanderreihung von Bildern und Szenen zu sehen, die im Kopf zu einer wahren Flut an Emotionen und Gedanken führen. Puppen, deren Gesichter verstümmelt wurden, makabre Gemälde, die das Unterbewusstsein angreifen und Szenen, in denen man wahrhaftig mit der Übelkeit zu kämpfen hat.


Der gesamte Tenor des Films ist dermaßen nihilistisch und melancholisch, dass es schwer fällt Sommerkälte im herkömmlichen Sinne zu genießen. Die langsame Erzählstruktur, die durch langatmige Einstellungen unterstrichen wird, verstärkt den Eindruck eines fast schon poetischen Gedichts, das sich zieht und immer wieder mit einzelnen Worten, bzw. Szenen in den Kopf des Zuhörers/Zuschauers eindringen zu vermag.

Der audiovisuelle Mix wird lediglich durch einzelne Sätze unterstrichen, die grandios von Thomas Goersch vorgetragen werden. Genau in diesen Momenten, in denen das Publikum dem melancholische Klangteppich lauscht, einem Mann beim Blick über weite, leere Felder beobachtet und Thomas Goersch einen Text rezitiert, schafft es Sommerkälte das Gefühl von Einsamkeit und Abschied in einen Kontext zu stecken, dem sich niemand entziehen kann.


Der anfänglich erwähnte nihilistische Tenor wird durch eine unschöne Erscheinung der Filmwelt kreiert. Immer wieder wird das Publikum Zeuge von Tiersnuff. Zunächst erst an einer Fliegen, dann an einer Schnecke, einer Hummel und abschließend an einem Igel. Bei den ersten drei Wesen kann man sich sicherlich streiten und eine Vielzahl von Filmfans dürfte das in der heutigen Zeit nicht mehr schocken. Die Szene mit dem Igel wiederum, ist definitiv ein Schlag in die Magengrube, in welcher die Grenzen definitiv überschritten werden. Zudem setzt der Film stark auf Kritik an der Kirche. Dies wird bereits recht früh deutlich, als der namenlose Mann, mit einem Messer an einer Jesus Statue herumschneidet. Gleichzeitig ertönt die Stimme des Erzählers und unterstützt diese visuelle Aussage durch prägnante Sätze.    


Fazit: Was bleibt zurück? Ein Kurzfilm, der in seinen 37 Minuten ein depremierendes, melancholisches und verstörendes Bild zeichnet, welches dem Zuschauer auch lange nach dem Abspann noch im Gedächtnis bleibt. Leider hat der Film ein wenig mit seiner Langatmigkeit zu kämpfen. Der Vorspann beschreibt den Film passend, als Reise einer Seele und mehr braucht man auch nicht zu wissen. Die Darbietung des Mannes ist ordentlich, allerdings merkt man, dass es sich hier nicht um einen Profi handelt. Das Highlight ist definitiv die unglaublich passende Stimme von Thomas Goersch und der tolle Soundtrack. Für Fans von kontroverser Kost ein absolutes Muss, für alle anderen dürfte der avantgardistische Erzählfluss zu unverständlich sein. Lediglich auf Grund des Tiersnuffs muss eine Warnung ausgesprochen werden! Sehen auf eigene Gefahr! 



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