Sommerkälte
Der deutsche Amateur- und Independent Film durchlebt derzeit
eine Evolution. Weg vom Wald-und-Wiesen-Splatter, hin zu nachdenklichen,
oftmals kontroversen Werken. Die Schock Wirkung auf den Zuschauer bleibt
dennoch dieselbe, doch wird diese Wirkung nicht mit Blut und abgetrennten
Körperteilen erreicht, sondern mit Szenen, die fernab vom guten Geschmack zu
finden sind. Diese Evolution rührt sicherlich auch aus der Veränderung
innerhalb der Gesellschaft. Stammen doch die meisten Splatterfilme aus den
späten 80ern und frühen 90ern, Jahrzehnte in denen die Rebellen die Straßen
Deutschlands besiedelten. In der heutigen Zeit herrscht diese Rebellion zwar
weiterhin fort, doch statt Bier und Punk, gibt es nun viel mehr Leute, die den
wahren Kern der Probleme erkennen, sodass auch die Herangehensweise an Filme
durchdachte und geklärter ist, als die chaotisch-lustigen Ergüsse von Schnaas
und Ittenbach. Sommerkälte ist ein eben solcher Film, der ein beklemmendes und
gleichzeitig extrem verstörendes Bild zeichnet. Doch gelingt es ihm eine starke
Nachwirkung zu erzielen?
Die Story lass ich direkt außen vor. Es fällt schwer dieses
Werk in Worte zu fassen. Der rote Faden wird durch vielerlei Metaphern
versteckt, wodurch das Publikum das Gefühl hat, eine Aneinanderreihung von
Bildern und Szenen zu sehen, die im Kopf zu einer wahren Flut an Emotionen und
Gedanken führen. Puppen, deren Gesichter verstümmelt wurden, makabre Gemälde,
die das Unterbewusstsein angreifen und Szenen, in denen man wahrhaftig mit der
Übelkeit zu kämpfen hat.
Der gesamte Tenor des Films ist dermaßen nihilistisch und
melancholisch, dass es schwer fällt Sommerkälte im herkömmlichen Sinne zu
genießen. Die langsame Erzählstruktur, die durch langatmige Einstellungen
unterstrichen wird, verstärkt den Eindruck eines fast schon poetischen
Gedichts, das sich zieht und immer wieder mit einzelnen Worten, bzw. Szenen in
den Kopf des Zuhörers/Zuschauers eindringen zu vermag.
Der audiovisuelle Mix wird lediglich durch einzelne Sätze
unterstrichen, die grandios von Thomas Goersch vorgetragen werden. Genau in
diesen Momenten, in denen das Publikum dem melancholische Klangteppich lauscht,
einem Mann beim Blick über weite, leere Felder beobachtet und Thomas Goersch
einen Text rezitiert, schafft es Sommerkälte das Gefühl von Einsamkeit und
Abschied in einen Kontext zu stecken, dem sich niemand entziehen kann.
Der anfänglich erwähnte nihilistische Tenor wird durch eine
unschöne Erscheinung der Filmwelt kreiert. Immer wieder wird das Publikum Zeuge
von Tiersnuff. Zunächst erst an einer Fliegen, dann an einer Schnecke, einer
Hummel und abschließend an einem Igel. Bei den ersten drei Wesen kann man sich
sicherlich streiten und eine Vielzahl von Filmfans dürfte das in der heutigen
Zeit nicht mehr schocken. Die Szene mit dem Igel wiederum, ist definitiv ein
Schlag in die Magengrube, in welcher die Grenzen definitiv überschritten
werden. Zudem setzt der Film stark auf Kritik an der Kirche. Dies wird bereits
recht früh deutlich, als der namenlose Mann, mit einem Messer an einer Jesus
Statue herumschneidet. Gleichzeitig ertönt die Stimme des Erzählers und
unterstützt diese visuelle Aussage durch prägnante Sätze.
Fazit: Was bleibt zurück? Ein Kurzfilm, der in seinen 37
Minuten ein depremierendes, melancholisches und verstörendes Bild zeichnet,
welches dem Zuschauer auch lange nach dem Abspann noch im Gedächtnis bleibt. Leider
hat der Film ein wenig mit seiner Langatmigkeit zu kämpfen. Der Vorspann
beschreibt den Film passend, als Reise einer Seele und mehr braucht man auch
nicht zu wissen. Die Darbietung des Mannes ist ordentlich, allerdings merkt
man, dass es sich hier nicht um einen Profi handelt. Das Highlight ist
definitiv die unglaublich passende Stimme von Thomas Goersch und der tolle
Soundtrack. Für Fans von kontroverser Kost ein absolutes Muss, für alle anderen
dürfte der avantgardistische Erzählfluss zu unverständlich sein. Lediglich auf
Grund des Tiersnuffs muss eine Warnung ausgesprochen werden! Sehen auf eigene
Gefahr!
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