Beauty Isn’t Everything, It’s the Only Thing
Titel: The Neon Demon
Director: Nicolas Winding Refn
Genre: Thriller / Horror
Label: Koch Media
Release: 2016
The Neon Demon ist kein einfacher Film,
nicht nur vom Verständnis her und was er ist bzw. sein möchte, sondern das
Meisterstück ist auch schwer zu reviewn. Das neueste Werk von Nicolas Winding
Refn, welches bis jetzt die Krönung seines Schaffens ist, glänzt nicht nur mit
seinen beeindruckenden Bildern (in denen die Farben Blau und Rot eine wichtige
Rolle spielen), sondern auch mit einem beeindruckenden Soundtrack aus der Feder
von Cliff Martinez (Drive, Only God Forgives). Jedoch eine Warnung vorab: Sollten
Sie den Film noch nicht gesehen haben, scrollen sie bitte weiter zum „Fazit“, da
die nachfolgende Zusammenfassung Spoiler enthalten kann.
In The Neon Demon begleiten wir die junge
Jesse (gespielt von Elle Fanning, Der seltsame Fall des Benjamin Button,
Maleficent) auf ihrer Reise durch die glamouröse und vom Schönheitswahn
getriebene Modebranche von Los Angeles.
Der Film beginnt ruhig und unschuldig, mit
einem Fotoshooting, welches ihr später einen Vertrag bei einer Top-Agentur
einbringen. Bei diesem Shooting lernt Jesse die Make-Up Artistin Ruby (gespielt
von Jena Malone, Sucker Punch, Tribute von Panem,) kennen, welche sie auf eine
Party einlädt.
Hier fallen schnell, durch ihre makellose
Schönheit angezogen, alle Blicke auf die noch naive Jesse. Hier trifft sie zum
ersten Mal auf Gigi (Bella Heathcote, Stolz und Vorurteil) und Sarah (gespielt
von Abbey Lee, Mad Max: Fury Road). Zusammen mit Ruby, wird Jesse wie von einem
Rudel hungrigerer Wölfe eingekreist und ausgefragt.
Weiter geht es mit einem wunderschön
inszenierten Fotoshooting mit einem der Top Fotografen. Es folgt ein Casting
mit einem berühmten Mode Designer, in dem Jesse als einzige für seine Show
ausgewählt wird.
Dies ist auch der Moment wo Jesse sich der Macht Ihrer Schönheit bewusst wird, und ihren Narzissmus annimmt, was durch einen Kuss des eigenen Spiegelbildes dargestellt wird.
“Nothing fake, nothing false. A diamond in a sea of glass.”
Hier nimmt Jesse die Rolle des
Titelgebenden „Neon Demon“ an. Dies spiegelt sich ab hier immer wieder, durch
ihr Auftreten wo jegliche Naivität und Unschuld wie weggewischt zu sein
scheint, und sie nur so von Selbstvertrauen und Selbstsicherheit strotzt und
über alles erhaben zu sein scheint.
In derselben Nacht sucht sie aus Angst
Zuflucht bei ihrer Vermeidlichen Freundin Ruby, welche Jesse nur allzu gerne
aufnimmt. So sehen wir zunächst wie Jesse in einer Pompösen Villa ankommt und
von Ruby liebevoll umsorgt wird, bis zu dem Moment wo Ruby mehr von Jesse
möchte als dieser lieb ist und brutal abgewiesen wird.
Am nächsten Tag sehen wir eine Szene in
einem Leichenschauhaus, was wohl vermutlich die erste Nekrophilie Szene in
einem FSK 16 Film sein dürfte. Diese Szene war nicht so im Drehbuch
vorgesehen und wurde improvisiert.
Im Anschluss fahren Sarah und Gigi zu einem Fotoshooting und erleben wie Gigis Körper scheinbar die natürliche Reinheit von Jesse abstößt und sie einen Augapfel erbricht bevor sie sich selbst das Leben nimmt. Bevor wir die wunderschönen letzten Bilder und den Abspann begutachten dürfen, werden wir Zeugen davon wie Sarah den Augapfel verspeist.
"Well I think, that if she wasn't beautiful... you wouldn't have even stopped to look.”
Fazit:
Wie anfangs erwähnt, liefert NWR mit The
Neon Demon sein bisheriges Meisterwerk ab, welches von Anfang bis Ende perfekt
durchstilisiert ist und einem mit dem treibenden Soundtrack von Cliff Martinez
in seinen Bann zieht.. Wenngleich auch die Story anfangs ein wenig oberflächlich
zu sein scheint, wie die Modewelt selbst, so liefert diese, wie bei NWR üblich,
mehr als man auf den ersten Blick sieht.
Sei es die Bildsprache, welche von
Symboliken geprägt ist (wie der Wolf, welcher stellvertretend für Ruby und ihre
Freundinnen steht, der Jaguar welcher Jesse als einsame Jägerin symbolisiert)
oder den Farben Blau und Rot (welchen zugleich mehre Bedeutungen zukommen und
sich optisch perfekt in das Bild einfügen). Nehmen wir hier zum Beispiel die
Szene, wo in Blut gebadet wird, Dieser Kult wird schon früh von verschiedenen
Kulturen praktiziert, um die Schönheit und Jugend zu erhalten oder zurück zu
gewinnen, wie es auch einer Legende nach Elizabeth Báthory (auch bekannt als
Blutgräfig) im 15. Jahrhundert praktiziert haben soll.
Oder auch der Narzissmus, als Jesse
realisiert was für eine Macht sie mit ihrer natürlichen Schönheit über andere
hat. Die Thematisierung dessen zieht sich primär durch die zweite Hälfte des
Filmes und gipfelt im letzten Dialog als Jesse folgendes sagt: „I know what I
look like, what’s wrong with that anyway, women would kill to look like this…” [...]“…hoping,
praying that they are looking like a second grade version of me.”
Ebenso ist der Film vor allem durch die
Dialoge ein schöner Spiegel unserer Gesellschaft. Wenn wir uns die titelgebende
„Beauty Isn’t Everything, It’s the Only Thing“ sowie letzte Überschrift „Well I
think, that if she wasn't beautiful... you wouldn't have even stopped to look.”
anschauen: Wie oft höre ich doch, wenn ich vor einem der Berliner Clubs
Schlange stehe, dass Leute vom Türsteher abgewiesen werden bspw. mit Worten wie
„Sie sollen doch bitte erst einmal vernünftige Kleidung kaufen oder zum Friseur
gehen und können es danach wieder probieren“, oder wie auch ich unterschiedlich
auf die Leute wirke, wenn ich mit dem Business Anzug essen gehe. Die
Gesellschaft akzeptiert zwar zum Glück Narzissmus immer mehr, anstatt dessen
das man wie ein Aussätziger behandelt wird. Doch zu welchem Preis?
Einen Film wie The Neon Demon muss man
definitiv öfter als nur ein einziges Mal schauen, um wirklich jede Metapher zu
sehen und zu verstehen. Vor allem da auch viele der zunächst nebensächlich
erscheinenden Details, welche anfangs nicht so recht ins Bild zu passen
scheinen, doch am Ende einen Sinn ergeben.
Diese stehen letzendlich immer für etwas bestimmtes, sei es nun ein
grobes (psychologisches) Profil oder eine Emotion.
Dies ist jedoch zugleich, wie auch bei
vielen anderen Filmen von Refn, die größte Schwäche des Filmes, denn viele
werden nicht mehr als das Oberflächliche wahrnehmen und sich somit gelangweilt
fühlen.
Von der Technischen Seite her (Kamera,
Licht, FX) gibt es nichts zu bemängeln und man merkt, dass Refn unter anderem
viele Werbespots auch für große Modedesigner gedreht hat. Auch aus
Schauspielerischer Sicht weiß The Neon Demon zu überzeugen. Mit Elle Fanning
(Jesse), welche zu dem Zeit des Drehs selber noch zur Highschool ging, wurde
die Rolle der Jesse perfekt besetzt. Die anfängliche naive Unschuld wird dabei
genauso glaubhaft dargestellt, wie du spätere Selbstverliebtheit. Auch die anderen Rollen, sei es nun die von
Ruby, Gigi oder Sarah sind alle durchaus glaubhaft gespielt. Vor allem ist mit Abbey
Lee in der Rolle von Sarah auch ein echtes Top Model mit dabei, welche mit
ihrer Real World Experience dem Film bezüglich der Authenzität zugutekommt.
The Neon Demon ist ein Arthouse Film wie
kein anderer, und definitiv etwas für ein anspruchsvolleres Publikum welches es
versteht zwischen den Zeilen zu lesen. Wer lieber gerne „Kopf aus“-
Popcorn-Kino genießt, sollte sich am besten von dem Film fernhalten oder sich
einfach von den wunderbaren Bildern und Score in den Bann ziehen lassen.
Über Nicolas Winding Refn
Nicolas Winding Refn, welcher 1970 als Sohn
der Kamerafrau Vibeke Winding und des Regisseurs Andreas Refn geboren wurde,
entdeckte schon früh seine Liebe zum Film. Da er ab seinen 8. Lebensjahr in den
USA aufwuchs, erlebte er den Aufstieg und Fall verschiedener Genres direkt mit.
Filme wie The Texas Chain Saw Massacre waren wegbereitend für seinen Einstieg
in die Welt der Filmemacher. Nicolas Winding Refn besuchte in New York die
American Academy of Dramatic Arts wo er jedoch nie den Abschluss machte. Auch
später in Kopenhagen entschied er sich gegen die Nationale Filmschule Dänemarks und für seinen ersten Film Pusher, in welchem der damals noch
unbekannte Mads Mikkelson eine Rolle spielte und welcher mit dem Best
Supporting Actor Award für Zlatko Burić bei den Bodil Awards ausgezeichnet
wurde. Der Film war hart und roh, und schon fast eine dokumentarische
Darstellung der Kopenhagener Unterwelt. Es folgte der Film Bleeder wo erneut
Mads Mikkelson zu sehen ist, welcher sich zu einer Art Dauergast entwickeln
sollte. Auch dieser Film wurde bei verschiedenen Awards nominiert und
ausgezeichnet.
Im Jahr 2003 drehte Refn seinen Englisch
sprachigen Film Fear X in Kanada, mit John Turturro in der Hauptrolle. Doch
dieser Film, brachte den zu diesem Zeitpunkt gerade erst einmal 30 Jahre alten
Regisseur, in eine schwierige Situation. Die Produktion lief nicht so wie
geplant, der Film überschritt das Budget und wurde von Kritikern eher negativ
aufgenommen, da er kein zugänglicher Film sei.
Damit Refn seine Schulden von Fear X tilgen
konnte, schrieb er in nur wenigen Wochen die Drehbücher für Pusher II und
Pusher III, welche erneut mit den Darstellern des ersten Filmes besetzt wurden.
Mads Mikkelson ergatterte seine erste Hauptrolle in Pusher II. In Dänemark gab
es sehr viel Kritik für den hohen Ausländeranteil in Pusher III.
In den nächsten Jahren wurde es still, doch
im Jahr 2008 überraschte uns Refn mit Bronson, welcher eine Biografische
Verfilmung des Straftäters Charles Bronson ist. Laut Refn beinhaltet dieser
Film auch sehr viel Persönliches, und mit Tom Hardy als Charles Bronson war der
Film gut besetzt. Für diesen Film stand nur ein Budget von 230.000$ zur
Verfügung. Mit einem Einspielergebnis von 2.3 Million $ am Box Office wurde der
Film ein voller Erfolg.
Doch sein nächstes Werk Valhalla Rising,
welches uns mit seinen schönen langen Landschaftsaufnahmen mit auf die Reise in
ein unbekanntes Land nimmt, erhielt erneut nur durchschnittliche Kritiken.
Nicolas Winding Refn & Elle Fanning |
Mit seinem nächsten Film, dem
Überraschungshit Drive, wo auch erstmal der Soundtrack aus der Feder von Cliff
Martinez stammt, der Schauspieler Ryan Gosling die Hauptrolle übernahm, wurde
der Regisseur erstmalig mit dem Best Director Award in Cannes geehrt. Auch für
die Acadamy Awards wurde Drive in der Kategorie Best Sound Editing nominiert.
Durch die Heimkino-Veröffentlichung des Filmes, kam Refn auch beim Mainstream Publikum an.
Doch sein nächsten Film Only God Forgives,
erneut mit Ryan Gosling in der Hauptrolle, war für viele ein Schlag in die
Magengrube, denn der Film schlug, wie man es von Nicolas Winding Refn nicht
anders kennt, wieder in eine ganz andere Richtung ein. So wurde der Film von
den Kritikern als oberflächlich, „äußert brutaler Rache-Thriller ohne
tiefgründige Handlung“ aufgenommen.
So erschien dann 2016, ohne viel Werbung,
sein neuestes Werk The Neon Demon, welchen wir heute behandelten. Der uns als
NWR bekannte Regisseur stellte die Frage ob er einen Horror-Thriller ohne die
typischen Horror Elemente inszenieren kann, was ihm auch gelang. Der Film
feierte bei den alljährlichen Filmfestspielen in Cannes seine Premiere, und
wurde „Out of Competition“ gezeigt. Auch für diesen Film erhielt er sehr
gemischte Kritiken und Reaktionen des Publikums, welche nicht zuletzt der
Nekrophilie und kannibalistischen Szene geschuldet waren.
Was NWR und seinen Regie-Stil auszeichnet,
ist seine spezielle und unübliche Art des Drehs. Alle seine Filme wurden in
chronologischer Reihenfolge gedreht, mit Ausnahme von der ein oder anderen
Szene wo es aufgrund vom Budget „out of order“ sein musste. Ebenfalls zeichnen
sich alle seine Filme durch starke Farbkontraste aus, welche seiner
Farbblindheit geschuldet sind. NWR ist es nicht möglich Mittelton-Kontraste
wahrzunehmen.
Niemand hätte in seiner Heimat im Jahr 1996
gedacht, dass ein junger Mann, welcher sich gegen die hochangesehene
Filmhochschule entschied, einmal ein solch erfolgreicher Regisseur des Arthouse
Kinos werden würde, und zusammen mit Kollegen wie Lars von Trier, Gaspar Noe
erwähnt wird.
Wir sind auf alle Fälle gespannt mit
welchen Filmen uns Niclas Winding Refn in Zukunft in seinen Bann ziehen wird.
Dieser Beitrag wurde ursprünglich von Chris "Senze" Jäger für Dirt'n Dust Reviews verfasst.
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