Sonntag, 30. Oktober 2016

Review: The Neon Demon



Beauty Isn’t Everything, It’s the Only Thing


Titel: The Neon Demon
Director: Nicolas Winding Refn
Genre: Thriller / Horror
Label: Koch Media
Release: 2016


The Neon Demon ist kein einfacher Film, nicht nur vom Verständnis her und was er ist bzw. sein möchte, sondern das Meisterstück ist auch schwer zu reviewn. Das neueste Werk von Nicolas Winding Refn, welches bis jetzt die Krönung seines Schaffens ist, glänzt nicht nur mit seinen beeindruckenden Bildern (in denen die Farben Blau und Rot eine wichtige Rolle spielen), sondern auch mit einem beeindruckenden Soundtrack aus der Feder von Cliff Martinez (Drive, Only God Forgives). Jedoch eine Warnung vorab: Sollten Sie den Film noch nicht gesehen haben, scrollen sie bitte weiter zum „Fazit“, da die nachfolgende Zusammenfassung Spoiler enthalten kann.


In The Neon Demon begleiten wir die junge Jesse (gespielt von Elle Fanning, Der seltsame Fall des Benjamin Button, Maleficent) auf ihrer Reise durch die glamouröse und vom Schönheitswahn getriebene Modebranche von Los Angeles.



Der Film beginnt ruhig und unschuldig, mit einem Fotoshooting, welches ihr später einen Vertrag bei einer Top-Agentur einbringen. Bei diesem Shooting lernt Jesse die Make-Up Artistin Ruby (gespielt von Jena Malone, Sucker Punch, Tribute von Panem,) kennen, welche sie auf eine Party einlädt.

Hier fallen schnell, durch ihre makellose Schönheit angezogen, alle Blicke auf die noch naive Jesse. Hier trifft sie zum ersten Mal auf Gigi (Bella Heathcote, Stolz und Vorurteil) und Sarah (gespielt von Abbey Lee, Mad Max: Fury Road). Zusammen mit Ruby, wird Jesse wie von einem Rudel hungrigerer Wölfe eingekreist und ausgefragt.

Weiter geht es mit einem wunderschön inszenierten Fotoshooting mit einem der Top Fotografen. Es folgt ein Casting mit einem berühmten Mode Designer, in dem Jesse als einzige für seine Show ausgewählt wird.

Vor dem Shooting trifft Jesse erneut auf Gigi, welche von ihren dutzenden Schönheitsoperationen berichtet. Ihr wird mitgeteilt, dass sie die Show schließen soll.




Dies ist auch der Moment wo Jesse sich der Macht Ihrer Schönheit bewusst wird, und ihren Narzissmus annimmt, was durch einen Kuss des eigenen Spiegelbildes dargestellt wird.

“Nothing fake, nothing false. A diamond in a sea of glass.”

Hier nimmt Jesse die Rolle des Titelgebenden „Neon Demon“ an. Dies spiegelt sich ab hier immer wieder, durch ihr Auftreten wo jegliche Naivität und Unschuld wie weggewischt zu sein scheint, und sie nur so von Selbstvertrauen und Selbstsicherheit strotzt und über alles erhaben zu sein scheint.

In derselben Nacht sucht sie aus Angst Zuflucht bei ihrer Vermeidlichen Freundin Ruby, welche Jesse nur allzu gerne aufnimmt. So sehen wir zunächst wie Jesse in einer Pompösen Villa ankommt und von Ruby liebevoll umsorgt wird, bis zu dem Moment wo Ruby mehr von Jesse möchte als dieser lieb ist und brutal abgewiesen wird.

Am nächsten Tag sehen wir eine Szene in einem Leichenschauhaus, was wohl vermutlich die erste Nekrophilie Szene in einem FSK 16 Film sein dürfte. Diese Szene war nicht so im Drehbuch vorgesehen  und wurde improvisiert.

Dies ist auch der Moment wo uns ein kleiner Twist erwartet und die Hauptrollen wechseln und wir erneut ein Farbspiel aus Blau und Rot begutachten dürfen..



Im Anschluss fahren Sarah und Gigi zu einem Fotoshooting und erleben wie Gigis Körper scheinbar die natürliche Reinheit von Jesse abstößt und sie einen Augapfel erbricht bevor sie sich selbst das Leben nimmt. Bevor wir die wunderschönen letzten Bilder und den Abspann begutachten dürfen, werden wir Zeugen davon wie Sarah den Augapfel verspeist.

"Well I think, that if she wasn't beautiful... you wouldn't have even stopped to look.”

Fazit:


Wie anfangs erwähnt, liefert NWR mit The Neon Demon sein bisheriges Meisterwerk ab, welches von Anfang bis Ende perfekt durchstilisiert ist und einem mit dem treibenden Soundtrack von Cliff Martinez in seinen Bann zieht.. Wenngleich auch die Story anfangs ein wenig oberflächlich zu sein scheint, wie die Modewelt selbst, so liefert diese, wie bei NWR üblich, mehr als man auf den ersten Blick sieht.

Sei es die Bildsprache, welche von Symboliken geprägt ist (wie der Wolf, welcher stellvertretend für Ruby und ihre Freundinnen steht, der Jaguar welcher Jesse als einsame Jägerin symbolisiert) oder den Farben Blau und Rot (welchen zugleich mehre Bedeutungen zukommen und sich optisch perfekt in das Bild einfügen). Nehmen wir hier zum Beispiel die Szene, wo in Blut gebadet wird, Dieser Kult wird schon früh von verschiedenen Kulturen praktiziert, um die Schönheit und Jugend zu erhalten oder zurück zu gewinnen, wie es auch einer Legende nach Elizabeth Báthory (auch bekannt als Blutgräfig) im 15. Jahrhundert praktiziert haben soll.

Oder auch der Narzissmus, als Jesse realisiert was für eine Macht sie mit ihrer natürlichen Schönheit über andere hat. Die Thematisierung dessen zieht sich primär durch die zweite Hälfte des Filmes und gipfelt im letzten Dialog als Jesse folgendes sagt: „I know what I look like, what’s wrong with that anyway, women would kill to look like this…” [...]“…hoping, praying that they are looking like a second grade version of me.”


Ebenso ist der Film vor allem durch die Dialoge ein schöner Spiegel unserer Gesellschaft. Wenn wir uns die titelgebende „Beauty Isn’t Everything, It’s the Only Thing“ sowie letzte Überschrift „Well I think, that if she wasn't beautiful... you wouldn't have even stopped to look.” anschauen: Wie oft höre ich doch, wenn ich vor einem der Berliner Clubs Schlange stehe, dass Leute vom Türsteher abgewiesen werden bspw. mit Worten wie „Sie sollen doch bitte erst einmal vernünftige Kleidung kaufen oder zum Friseur gehen und können es danach wieder probieren“, oder wie auch ich unterschiedlich auf die Leute wirke, wenn ich mit dem Business Anzug essen gehe. Die Gesellschaft akzeptiert zwar zum Glück Narzissmus immer mehr, anstatt dessen das man wie ein Aussätziger behandelt wird. Doch zu welchem Preis?



Einen Film wie The Neon Demon muss man definitiv öfter als nur ein einziges Mal schauen, um wirklich jede Metapher zu sehen und zu verstehen. Vor allem da auch viele der zunächst nebensächlich erscheinenden Details, welche anfangs nicht so recht ins Bild zu passen scheinen, doch am Ende einen Sinn ergeben.  Diese stehen letzendlich immer für etwas bestimmtes, sei es nun ein grobes (psychologisches) Profil oder eine Emotion.

Dies ist jedoch zugleich, wie auch bei vielen anderen Filmen von Refn, die größte Schwäche des Filmes, denn viele werden nicht mehr als das Oberflächliche wahrnehmen und sich somit gelangweilt fühlen.

Von der Technischen Seite her (Kamera, Licht, FX) gibt es nichts zu bemängeln und man merkt, dass Refn unter anderem viele Werbespots auch für große Modedesigner gedreht hat. Auch aus Schauspielerischer Sicht weiß The Neon Demon zu überzeugen. Mit Elle Fanning (Jesse), welche zu dem Zeit des Drehs selber noch zur Highschool ging, wurde die Rolle der Jesse perfekt besetzt. Die anfängliche naive Unschuld wird dabei genauso glaubhaft dargestellt, wie du spätere Selbstverliebtheit.  Auch die anderen Rollen, sei es nun die von Ruby, Gigi oder Sarah sind alle durchaus glaubhaft gespielt. Vor allem ist mit Abbey Lee in der Rolle von Sarah auch ein echtes Top Model mit dabei, welche mit ihrer Real World Experience dem Film bezüglich der Authenzität zugutekommt.

The Neon Demon ist ein Arthouse Film wie kein anderer, und definitiv etwas für ein anspruchsvolleres Publikum welches es versteht zwischen den Zeilen zu lesen. Wer lieber gerne „Kopf aus“- Popcorn-Kino genießt, sollte sich am besten von dem Film fernhalten oder sich einfach von den wunderbaren Bildern und Score in den Bann ziehen lassen.

Der Film erhält von mir, als einer der wenigen Filme, die vollen 10/10 Punkte


Über Nicolas Winding Refn




Nicolas Winding Refn, welcher 1970 als Sohn der Kamerafrau Vibeke Winding und des Regisseurs Andreas Refn geboren wurde, entdeckte schon früh seine Liebe zum Film. Da er ab seinen 8. Lebensjahr in den USA aufwuchs, erlebte er den Aufstieg und Fall verschiedener Genres direkt mit. Filme wie The Texas Chain Saw Massacre waren wegbereitend für seinen Einstieg in die Welt der Filmemacher. Nicolas Winding Refn besuchte in New York die American Academy of Dramatic Arts wo er jedoch nie den Abschluss machte. Auch später in Kopenhagen entschied er sich gegen die Nationale Filmschule Dänemarks und für seinen ersten Film Pusher, in welchem der damals noch unbekannte Mads Mikkelson eine Rolle spielte und welcher mit dem Best Supporting Actor Award für Zlatko Burić bei den Bodil Awards ausgezeichnet wurde. Der Film war hart und roh, und schon fast eine dokumentarische Darstellung der Kopenhagener Unterwelt. Es folgte der Film Bleeder wo erneut Mads Mikkelson zu sehen ist, welcher sich zu einer Art Dauergast entwickeln sollte. Auch dieser Film wurde bei verschiedenen Awards nominiert und ausgezeichnet.

Im Jahr 2003 drehte Refn seinen Englisch sprachigen Film Fear X in Kanada, mit John Turturro in der Hauptrolle. Doch dieser Film, brachte den zu diesem Zeitpunkt gerade erst einmal 30 Jahre alten Regisseur, in eine schwierige Situation. Die Produktion lief nicht so wie geplant, der Film überschritt das Budget und wurde von Kritikern eher negativ aufgenommen, da er kein zugänglicher Film sei.
Damit Refn seine Schulden von Fear X tilgen konnte, schrieb er in nur wenigen Wochen die Drehbücher für Pusher II und Pusher III, welche erneut mit den Darstellern des ersten Filmes besetzt wurden. Mads Mikkelson ergatterte seine erste Hauptrolle in Pusher II. In Dänemark gab es sehr viel Kritik für den hohen Ausländeranteil in Pusher III. 

In den nächsten Jahren wurde es still, doch im Jahr 2008 überraschte uns Refn mit Bronson, welcher eine Biografische Verfilmung des Straftäters Charles Bronson ist. Laut Refn beinhaltet dieser Film auch sehr viel Persönliches, und mit Tom Hardy als Charles Bronson war der Film gut besetzt. Für diesen Film stand nur ein Budget von 230.000$ zur Verfügung. Mit einem Einspielergebnis von 2.3 Million $ am Box Office wurde der Film ein voller Erfolg.


Doch sein nächstes Werk Valhalla Rising, welches uns mit seinen schönen langen Landschaftsaufnahmen mit auf die Reise in ein unbekanntes Land nimmt, erhielt erneut nur durchschnittliche Kritiken.

Nicolas Winding Refn & Elle Fanning

Mit seinem nächsten Film, dem Überraschungshit Drive, wo auch erstmal der Soundtrack aus der Feder von Cliff Martinez stammt, der Schauspieler Ryan Gosling die Hauptrolle übernahm, wurde der Regisseur erstmalig mit dem Best Director Award in Cannes geehrt. Auch für die Acadamy Awards wurde Drive in der Kategorie Best Sound Editing nominiert. Durch die Heimkino-Veröffentlichung des Filmes, kam Refn auch beim Mainstream Publikum an.

Doch sein nächsten Film Only God Forgives, erneut mit Ryan Gosling in der Hauptrolle, war für viele ein Schlag in die Magengrube, denn der Film schlug, wie man es von Nicolas Winding Refn nicht anders kennt, wieder in eine ganz andere Richtung ein. So wurde der Film von den Kritikern als oberflächlich, „äußert brutaler Rache-Thriller ohne tiefgründige Handlung“ aufgenommen.

So erschien dann 2016, ohne viel Werbung, sein neuestes Werk The Neon Demon, welchen wir heute behandelten. Der uns als NWR bekannte Regisseur stellte die Frage ob er einen Horror-Thriller ohne die typischen Horror Elemente inszenieren kann, was ihm auch gelang. Der Film feierte bei den alljährlichen Filmfestspielen in Cannes seine Premiere, und wurde „Out of Competition“ gezeigt. Auch für diesen Film erhielt er sehr gemischte Kritiken und Reaktionen des Publikums, welche nicht zuletzt der Nekrophilie und kannibalistischen Szene geschuldet waren.

Was NWR und seinen Regie-Stil auszeichnet, ist seine spezielle und unübliche Art des Drehs. Alle seine Filme wurden in chronologischer Reihenfolge gedreht, mit Ausnahme von der ein oder anderen Szene wo es aufgrund vom Budget „out of order“ sein musste. Ebenfalls zeichnen sich alle seine Filme durch starke Farbkontraste aus, welche seiner Farbblindheit geschuldet sind. NWR ist es nicht möglich Mittelton-Kontraste wahrzunehmen.

Niemand hätte in seiner Heimat im Jahr 1996 gedacht, dass ein junger Mann, welcher sich gegen die hochangesehene Filmhochschule entschied, einmal ein solch erfolgreicher Regisseur des Arthouse Kinos werden würde, und zusammen mit Kollegen wie Lars von Trier, Gaspar Noe erwähnt wird.

Wir sind auf alle Fälle gespannt mit welchen Filmen uns Niclas Winding Refn in Zukunft in seinen Bann ziehen wird.

Dieser Beitrag wurde ursprünglich von Chris "Senze" Jäger für Dirt'n Dust Reviews verfasst.

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